■ Normalzeit
: Telebanking mit Herrn Kaiser

Anruf bei Frau Schmidt von „VG Wort“ – der Verwertungsgesellschaft Wort in München, die alljährlich den sogenannten Bibliotheks- und Kopiergroschen für Journalisten ausschüttet: „Warum haben Sie mir 1995 keinen Scheck geschickt? Ich habe mir die Finger wund geschrieben.“ Antwort von Frau Schmidt: „Ihr Scheck über 799 Mark wurde von einem Herrn Kaiser, Müllerstraße 22 in Mahlsdorf, eingelöst.“ Ich also zur Müllerstraße: Eine schöne Villa mit Goldfischteich. Ein netter Mann an der Tür: Er sei tschechischer Bauarbeiter, das Haus hätten sie von der Firma „Rent a Room/Interim Gästehäuser“ gemietet.

Die Firma kenne ich: Sie hatte die leeren Etagen in den Häusern Eichendorffstraße Ecke Schlegelstraße gemietet – für jugoslawische Asylbewerber und für ihr Bordell „Rent a Girl“. Ich verabschiede mich vom Tschechen und gehe die Straße entlang. Ein Nachbar erzählt mir: „Herr Kaiser lebt in der Dominikanischen Republik. In seinem Haus wohnen jetzt Ausländer – Russen, Vietnamesen.“

Ein anderer Nachbar weiß: Herr Kaiser arbeitete erst in einem Bordell in der Dorotheastraße, dann in einem in Wandlitz. Derzeit baue er ein Haus in Spanien um. In der Pension „An den Birken“ schräg gegenüber erzählt man mir: Herr Kaiser ist von seiner Frau geschieden, sie habe nur 20.000 Mark von ihm für ihren Hausanteil bekommen, dann habe sie einen schweren Unfall gehabt und nun sei sie auch noch krebskrank. Ihre Tochter betreibe in Mahlsdorf einen Quelle- Versandshop. Außerdem gebe es da noch die Mutter von Herrn Kaiser.

Anruf bei seiner Tochter: „Ja, ich besorge Ihnen seine Telefonnummer in Spanien und rufe Sie in ein paar Tagen wieder an. Dasselbe sagt seine Frau, die in Marzahn wohnt. Beide rufen aber nie zurück. Die Mutter von Herrn Kaiser verspricht mir dagegen, ihrem Sohn bei dessen nächstem Anruf meine Nummer zu geben, damit er mich anrufe: „Er hat keinen festen Wohnsitz.“

In der Zwischenzeit habe ich eine Theorie, wie Herr Kaiser an meinen Scheck gekommen ist: Ich wohnte zuerst in der Eichendorffstraße und wurde dann in die Schlegelstraße umgesetzt, weil der neue West-Hauseigentümer aus dem Eichendorffhaus ein Dienstleistungscenter machen wollte. Als dieses unvermietet blieb, holte er sich die westdeutsche Firma „Interim“, die ihm Untermieter suchte. Mein Scheck war noch an die Adresse Eichendorffstraße geschickt worden und dort bei den „Interim“-Leuten gelandet, die ihn an Herrn Kaiser weiterreichten, um damit ihre Mietschulden für sein Haus in Mahlsdorf begleichen zu können.

Anruf bei „Rent a Room“, am Telefon Herr Hansen: „Oh, das kann ich Ihnen nicht sagen, ob da ein Scheck über 799 Mark an Herrn Kaiser gegangen ist. Da muß ich unsere Buchhaltung bitten, das nachzuprüfen. Es gehen hier täglich Hunderte von Schecks ein.“

Herr Hansen tut so, als handele es sich bei dieser Unterschlagung um einen bloßen Irrläufer. Ich rufe ihn fast täglich wieder an: Er habe sich immer noch keine Klarheit verschaffen können, wimmelt er mich jedesmal ab. Über seine Sekretärin drohe ich ihm schließlich damit, den ganzen Scheck-Eintreibevorgang an die VG Wort zurückzugeben.

Dann ruft überraschend Herr Kaiser aus Spanien an. Meine Theorie ist richtig: Er hat den Scheck von Herrn Hansen bekommen und eingelöst und verspricht, sich mit Hansen telefonisch in Verbindung zu setzen, um ihn zur Geldherausgabe zu bewegen. Er meint jedoch, wahrscheinlich müsse er ihn persönlich dazu sprechen, das werde in zwei Wochen geschehen, weil er dann nach Berlin komme. Nun warte ich auf Herrn Kaiser und rufe in der Zwischenzeit immer wieder Herrn Hansen an. Vielleicht springt dabei noch eine weitere Kolumne raus? Helmut Höge

wird fortgesetzt