Romano Prodi rettet Berlusconi

■ Seit gestern ist das gesamte TV-System Italiens ungesetzlich

Mit einem Blitzdekret ist das Kabinett von Ministerpräsident Romano Prodi dem Mailänder Medienherrscher Silvio Berlusconi, im Nebenjob Oppositionsführer im Parlament, zu Hilfe gekommen. Seit gestern null Uhr nämlich ist das gesamte TV-System des Landes ungesetzlich. Das Verfassungsgericht hatte vor eineinhalb Jahren festgelegt, daß sich bis zum 27. August 1996 nicht mehr als ein Viertel der landesweit (unverschlüsselt) ausstrahlenden Sender in ein- und derselben Hand befinden dürfen. Landesweit senden aber nur die drei staatlichen RAI- Kanäle aus und die drei Berlusconis: Italia 1, Retequattro und Canale 5. Somit hätte gestern jeder beliebige Amtsrichter des Landes einen der Fernsehkanäle abschalten können. Doch da war Prodi persönlich vor. In einer für viele Beobachter allzu willfährigen Weise hat er in voller Übereinstimmung mit dem Chef der Linksdemokraten, Massimo D'Alema, per Dekret ein Moratorium bis Ende des Jahres verfügt. In dieser Zeit soll nun ein einschlägiger Gesetzentwurf im Parlament beraten werden, der beiden hohen Häusern Anfang August vorgelegt worden war.

Daß das Gesetz noch nicht durch ist, obwohl der Spruch des Verfassungsgerichts schon anderthalb Jahre zurückliegt, ist allerdings nicht ausschließlich ein Versäumnis dieser Regierung: Frühere Gesetzentwürfe wurden Makulatur, weil inzwischen vorgezogene Neuwahlen stattgefunden haben und so alle laufenden Vorhaben neu eingebracht werden müssen. Trotzdem wäre mehr Eile möglich gewesen – eine ganze Reihe anderer Vorlagen hat das Parlament bereits passiert. Besonders mißlich ist für die Verfechter kontrollierter Medienmacht allerdings, daß Prodi für den Rest des Jahres den Status quo völlig ungeändert festgeschrieben hat. Dabei hat sich die Linie D'Alemas, Chef der Mehrheitsfraktion in der Koalition, durchgesetzt, der schon während des Wahlkampfs und davor ein Faible für Berlusconi gezeigt und dessen Angestellten präzise Arbeitsplatzgarantien im Fall seines Wahlsieges gegeben hatte.

Berlusconis Anwälte argumentieren sowieso damit, daß ja „eigentlich“ nicht sechs, sondern zwölf Senderketten im Lande aktiv sind, die Norm des Verfassungsgerichts also gar nicht verletzt sei. Neben RAI und Mediaset kaufe doch eine Reihe regionaler Sender gemeinsam Programme ein und stehe damit den großen Sendern „faktisch“ gleich. Daß diese allerdings ihre Einkäufe nicht gemeinsam und auch nicht gleichzeitig ausstrahlen, wird dabei vornehm verschwiegen – ganz abgesehen davon, daß viele diese Pakete just wieder von Berlusconi-Firmen beziehen. Werner Raith