Aus für Südafrikas Terroroberst

■ Der Kommandeur einer Apartheid-Todesschwadron, Polizeioberst de Kock, wird wegen Mordes verurteilt

Johannesburg (taz) – Als Tiisetso Leballa und vier seiner Freunde sich Anfang 1992 von einem Polizeispitzel dazu überreden ließen, eine Bank zu überfallen, ahnten sie nicht, daß sie in eine tödliche Falle gingen. In einem geliehenen Kleinbus wurden sie am 26. März 1992 in der Nähe der Kleinstadt Nelspruit von Mitgliedern der berüchtigten Vlakplaas- Einheit der südafrikanischen Geheimpolizei erschossen. Den Befehl dazu erteilte deren Kommandeur Oberst Eugene de Kock, der bei dem Attentat auch selbst zugegen war und es sorgfältig eingeleitet hatte – allerdings nicht mit dem Ziel, politische Gegner umzubringen, sondern um für einen Freund einen Versicherungsbetrug einzufädeln.

Der war gerade in finanziellen Schwierigkeiten und brauchte Geld. De Kock erklärte sich bereit, seinen Kleinbus verschwinden zu lassen, um ihn als gestohlen melden zu können. Über den Polizeispitzel wurde der Kontakt zu Leballa hergestellt und der Bus beschafft. Nachdem die unbewaffneten Männer in die Falle gegangen waren, versteckten die Polzisten Kalaschnikows und Handgranaten in dem Fahrzeug und steckten es in Brand. Hinterher behaupteten sie, es seien Terroristen darin gewesen, die das Feuer auf sie eröffnet hatten. Leballa, ein Fahrer von Winnie Mandela, der bei dem Attentat entgegen den Annahmen der Polizisten nicht in dem Bus war, wurde anschließend umgebracht.

Der Fall ist nur ein Beispiel aus der schier endlosen Liste von Verbrechen, die die Vlakplaas-Einheit unter de Kock bis in die 90er Jahre hinein beging. Der Oberste Gerichtshof in Pretoria, vor dem sich de Kock seit mehr als 18 Monaten verantworten muß, sieht es jetzt als erwiesen an, daß de Kock in dem geschilderten Fall des fünffachen Mordes schuldig ist. Insgesamt wurde der heute 48jährige, der wegen 121 Delikten angeklagt ist, in der Urteilsverlesung am Montag und Dienstag in 89 Fällen für schuldig befunden. Darunter sind ein weiterer Mord, zwei Verschwörungen zum Mord, ein versuchter Mord und 66facher Betrug.

Erstes Urteil gegen hohen Apartheid-Polizisten

De Kock ist der erste hochrangige Polizist, dem im demokratischen Südafrika der Prozeß gemacht wird. Seit Beginn der 80er Jahre war er Mitglied und später Kommandeur der Vlakplaas-Einheit, die ihr Hauptquartier auf einer abgelegenen Farm bei Pretoria hatte. Sie soll an zahllosen Morden an Oppositionellen beteiligt gewesen sein, Waffen an Inkatha geschmuggelt und Überfälle auf Züge verübt haben. Schon Anfang der 90er Jahre hatte ein ehemaliges Mitglied der Einheit, Dirk Coetzee, öffentlich ausgepackt. De Kock wollte ihn durch eine Briefbombe zum Schweigen bringen, der dann allerdings der ANC-Anwalt Bheki Mlangeni zum Opfer fiel.

Brisant ist das Verfahren gegen de Kock auch deshalb, weil es die Frage nach der politischen Verantwortung für solche Gewalttaten berührt. Expräsident de Klerk bestreitet bis heute, von schweren Menschenrechtsverletzungen seitens der Sicherheitskräfte während seiner 1994 beendeten Amtszeit etwas gewußt zu haben. Über mangelnde Großzügigkeit seiner Dienstherren konnte sich Oberst de Kock jedoch nicht beschweren. Als er 1993 den Dienst quittierte, entschädigte ihn die De-Klerk-Regierung mit rund 500.000 Mark.

De Kock droht jetzt mehrfach lebenslängliche Haft. Der Prozeß ist nun vorerst auf Mitte September vertagt. Dann will die Verteidigung auf mildernde Umstände plädieren, da de Kock angeblich an „posttraumatischen Streßsyndromen“ leidet. Außerdem will de Kock vor der Wahrheitskommission Amnestie beantragen. Daß er sie bekommt und damit straffrei ausgeht, ist jedoch sehr unwahrscheinlich, denn er wird alle Mühe haben, bei den ihm jetzt angelasteten Verbrechen nachzuweisen, daß sie tatsächlich politisch motiviert und nicht nur kriminell waren. Kordula Doerfler