Kreissparkassen-Skandal und „Genossenfilz“

■ Die Kreissparkasse Kassel und die staatliche Hessisch-Thüringische Landesbank in Steuerhinterziehungsaffäre verwickelt. 5,1 Millionen Mark dem Fiskus entzogen

Frankfurt/Main (taz) – Für die Landtagsfraktion der CDU in Hessen riecht die Affäre nach „Genossenfilz“. Und die Bündnisgrünen im Kreistag von Kassel (Land) fordern eine umgehende, die ganze Tragweite der „skandalösen Vorgänge“ umfassende Aufklärung der „Steuerhinterziehung im großen Stil“ bei der Kreissparkasse Kassel. Schließlich gehe es um unversteuerte Zinsgewinne von rund 100 Sparkassenkunden in Höhe von 5,1 Millionen Mark.

Die wurden, so die Erkenntnisse der Steuerfahnder, vom Vorstandsmitglied der Kreissparkasse Kassel, dem Hofgeismarer Sparkassenchef Wilhelm Schenkel (SPD), und elf Sparkassenmitarbeitern auf Konten einer Außenstelle der Hessisch-Thüringischen Landesbank in Luxemburg gebucht und so dem Fiskus entzogen. Offenbar nicht nur bei den Großbanken, wie am Dienstag von der Deutschen Steuergewerkschaft beklagt (taz, 28.8.), wurden und werden Millionenbeträge solventer Kunden zum Zwecke der Steuerhinterziehung vornehmlich nach Luxemburg, aber auch nach Belgien oder Österreich transferiert.

Ein Politikum ist der Fall deshalb, weil die staatliche Landesbank (Hessen-Thüringen) involviert ist. Chef dieser Landesbank war bis Ende 1995 Karl Kauermann – und der ist inzwischen der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Kassel. Für den Fraktionsvorsitzenden der Bündnisgrünen im Kreistag, Wolfgang Höhne, ein „Skandal im Skandal“: „Aus zwei öffentlich-rechtlichen Unternehmen heraus, die eigentlich der staatlichen Kontrolle unterliegen, wurde der Staat in Zeiten knapper Kassen um dringend nötige Einnahmen gebracht.“

Ein Politikum ist der Fall auch deshalb, weil der Verwaltungsratsvorsitzende der Kreissparkasse Kassel, Landrat Udo Schlitzberger (SPD), den inzwischen beurlaubten Drahtzieher der „kriminellen Machenschaften“ (Höhne), den Hofgeismarer Sparkassenchef Schenkel, nach Auffassung von CDU und Bündnisgrünen „gedeckt“ habe. Schlitzberger und Schenkel sind alte Partei- und Busenfreunde. Und Schlitzberger hat offenbar auch dafür gesorgt, daß sein „Ziehvater Schenkel“ (Bündnisgrüne) noch bis zum Jahresende seine vollen Bezüge einstreichen darf. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion der CDU im Hessischen Landtag, Franz Josef Jung, bezeichnete es jedenfalls als „tolldreistes Stück“, daß Schenkel von Schlitzberger als Vizevorstand für die neue Sparkasse Kassel vorgeschlagen wurde, obgleich die Steuerfahndung bereits die Büroräume des Sparkassendirektors durchsucht hatte.

Die CDU forderte Wirtschaftsminister Lothar Klemm (SPD) deshalb auf, seiner Aufsichtspflicht über die Sparkassen nachzukommen und „sofort“ prüfend tätig zu werden . CDU-Fraktionsgeschäftsführer Jung begründet das so: „Immerhin ist die Tochtergesellschaft der Landesbank in Luxemburg, die die Zinsbeträge ausgezahlt hat, an dem Skandal beteiligt.“

Die Staatsanwaltschaft in Kassel ermittelt inzwischen gegen zwei weitere Vorstandsmitglieder der Kreissparkasse. Mehrere Kunden der Kreissparkasse haben sich bereits selbst angezeigt und Steuernachzahlung angeboten. Landrat Schlitzberger schweigt sich aus. Und die Landesregierung? Die klagt regelmäßig – via Bonn – die Abschaffung sogenannter Steuerparadiese innerhalb der Europäischen Union ein. Klaus-Peter Klingelschmitt