Massive Eigenbedarfsankündigung

■ Räumungsklage bedroht Hamburgs ältestes Wohnprojekt

Christian braucht Platz. Der zwanzigjährige Schüler soll – so plant es Papa Stefan G. offiziell – eine Junggesellenbude der feudaleren Sorte erhalten. Viereinhalb Zimmer, verteilt auf 167 Quadratmetern, in einem wunderschönen Altbau in der Haynstraße 1 (Eppendorf) sollen dem Filius den Schritt ins rauhe Berufsleben erleichtern.

Die 21jährige Studentin Sandra B. hingegen muß mit weniger Raum auskommen. Sie soll auf Geheiß ihres Vaters, von Beruf Universitätsprofessor, in „nur“ vier Zimmern auf spärlichen 130 Quadratmetern – ebenfalls im Haynstraßen-Haus Platz finden. Damit die Jungerwachsenen nicht beengt wohnen müssen, sollen die heutigen BewohnerInnen der begehrten Wohnungen per Eigenbedarfskündigung und Räumungsklage vor die Tür gesetzt werden. Und damit Christian G. und Sandra B. auch ein entsprechendes Wohnumfeld haben, wurde gleich allen 53 HausbewohnerInnen – und damit Hamburgs ältestem noch existierenden Wohnprojekt – gekündigt und mit Zwangsräumung gedroht. Am 17. Oktober wird über die Räumungsklage vor dem Hamburger Amtsgericht verhandelt werden.

Die MieterInnengemeinschaft, deren Mitglieder in dem Eckhaus Haynstraße/Hegestraße zum Teil schon seit über 25 Jahren leben, sehen dem Verfahren nach ihrer mittlerweile neunten Kündigung relativ gelassen entgegen. Da nur für drei der insgesamt 21 in Eigentum umgewandelten Wohnungen Eigenbedarf von den jeweiligen BesitzerInnen angemeldet wurde, scheint ein Gesamtrausschmiß rechtlich unmöglich.

Weil die BewohnerInnen des ehemals besetzten Altbaus aber einen nicht nach Wohneinheiten untergliederten Gesamt-Mietvertrag für das ganze Haus haben, ist auch die Kündigung einzelner Wohnungen juristisch mehr als umstritten. Für Mieteranwalt Bernd Vetter ist der Fall deshalb „sonnenklar“: „Ein Mietverhältnis ist unteilbar.“

Die MieterInnengemeinschaft, die im Vorgarten einen großen „Spekulantenfresser“-Dinosaurier aufgestellt hat, hält den behaupteten Eigenbedarf sowieso für „nur vorgeschoben“. Hausbewohner Reinhard Barth: „Die Eigentümer wollen uns hinauswerfen, um die leeren Wohnungen mit großem Gewinn zu verkaufen.“ Das aber ist ihnen schon in den ersten acht Anläufen nicht gelungen.

Marco Carini