Kölschrock ömesons un drusse

■ Die Kölschrocker von BAP fahren mit Erichs Salonwagen durch die Republik, um ihre neue CD vorzustellen / Die taz fuhr mit

1. Bremen, Hbf, Mittwoch 18 Uhr

He he he, du süße Bahnhofsstimme: „Stadtexpress aus Emden heute abweichend auf Gleis 2a.“ Abweichend! O herrliches Versprechen. „Der Sonderzug der Gruppe BAP wird um 18 Uhr auf Gleis 1 bereitgestellt.“ He he he, süße Bahnhofsstimme, „bereitgestellt“! Großer Bahnhof ist das für den BAP-train, tausend Bremer, abertausend aus Diepholz, ja Wahnsinn, janz OHZ hat sich Dreitagebärte stehen lassen, för Wolfgang. Der Bundesgrenzschutz hat seine schönsten Jungmänner aufgeboten. Die schieben sich durch die Massen auf Gleis 1, ein Eldorado für alle, die sich gern von schönen BGS-Jungs streifen lassen.

Extrem sympathisches Publikum! Kein einziger zu sehen, der Asylbewerber ablehnen würde, aber hunderte, die sie aufnehmen, pflegen, nähren würden – also sowas von sympathisch! Und erst Wolfgang. Steht der Niedecken in einem Container, der wie ein Kasperltheater daherkommt und die Bühne ist, und lacht und sacht: „Wir fahren zu den Leuten hin, für die wir die Musik gemacht haben.“ Weiß Gott, sie haben eine neue Scheibe, die heißt „Amerika“, weil Wolfgang ein altes Foto gefunden hat, das zeigt die Straße, wo er aufgewachsen ist und wo nach dem Krieg mal mehrere GIs entlanggingen. „Amerika“, das meint Musik, meint Stücke, „die wie Stücke Torte nach innen zeigen“. Solche Bilder fallen nicht mal mir ein. A propos ich: Dreitagebart!

He he he, Major, immer der Alte? Altes Scarface! Und Effendi! Paar neue Gesichter, Musik die alte. Geht wie immer sofort los. Kommt sofort rüber. Wer da den Kopf still halten kann, der werfe den ersten Stein. (Alle BGS-Jungmänner heben Steine auf.) „Amok“. Was über einen Arbeitslosen, „ich brauch euch in Bremen nicht zu erzählen, was das heißt!“ Nein, Wolfgang, für dich sind wir heute abend alle arbeitslos, su ene Driss mit dä Vulkan. Und das gnädige Kölsch, so gnädig wie Englisch, man versteht nix außer Bier Müll wegrationalisiert Zyniker dä letzte Dreck. Können wir alles unterschreiben.

Einer schwenkt ein Fähnchen von Nordrhein-Westfalen. Ehrlich! Einer singt mit zuen Augen schon den neuen Rafrain mit: Un er weet niemohls verstonn, nä, dä weet niemohls kapiere. Einer macht alle fahrigen Handbewegungen vom Wolfgang mit, Donnerschlag, der kennt sie alle! Der Bahnsteig tobt, ich werde zum potentiellen Käufer, da fällt mir ein, daß ich ja das Presseexemplar habe.

Wolfgang! Die vollen schweißnassen Locken, wie machste das nur immer wieder? Die für dich so typischen Augen! Der hohe Augeninnendruck! Bis sich die Tränensäcke gnädig über die Augen legen, nur Schlitze übrigbleiben. Pressetext: „Hat den intimen Blick.“ Da möchte man zum Teenie werden!

Verdammp lang her, vorgetragen „für Rio Reiser“. (Wobei an dieser Stelle erwähnt werden muß, daß das eine verdammte abgefuckte Schweinescheiße ist mit Rio Reiser, lieber Gott!) Sogar ich, der ich aus irgendwelchen physiologischen Gründen nicht mit Massen zusammen rhythmisch klatschen kann – ich hätte um ein Haar die Hände zum Bahnhofshallendach gehoben und rhythmisch mitgeklatscht. Jibbet ja janit!

Keine Zugabe. Aber einem geschenkten Konzert schaut man nicht ins Maul.

2. Donnerstag, 10.20 Uhr, Hbf Gleis 8: im BAP-Zug nach Essen

Es nieselt und weht. Gestalten treten von einem Bein aufs andere. Wie sich später herausstellt: BAP, Journalisten von „Diabolo“ und „Weserreport“ sowie vier Fans. Da kommt der BAP-Zug. Ein „Salonzug“, angeblich ist Erich damit noch durch die Zone gereist. Waggonbau Bautzen, Jesses! Dezefix und Wurzelholzimitat. Kojen für die Künstler. Gartentische für Presse und Fans. Seit Sonntag unterwegs. Frankfurt / Main, Halle etc.

Adrian aus Walle ist 12. Thomas ist 33 und sein Vater. Ein Radio Bremen-Mann hat ihnen die BAP-Zug-Tickets geschenkt. Adrian hört zum ersten Mal von BAP. Aber es gibt Cola ohne Ende. „Sind Sie ein Fan, Thomas?“ – „Nein, aus dem Alter bin ich raus.“ Detlef (38) ist Steuerberater. Brigitte (28) ist Steuerfachgehilfin. Sie sind Kollegen und haben beim Preisrätsel vom Weserkurier gewonnen. Frage: Wo wurde „Affjetaut“ aufgenommen? Antwort: In der Schweiz, stand auf dem Cover. Jetzt dürfen sie Cola ohne Ende trinken und mit Wolfgang reden. Mit Brigitte und Detlef kann man ohne Ende über BAP und Steuern reden. Detlef vermutet, daß BAP beim Finanzamt Köln Steuern zahlt, schon wegen dem Image. Brigitte empfiehlt: Belgien. Monaco sei zu weit weg. Detlev aber hat einen Tip für alle taz-Leser: „Ganz normal Steuern zahlen und wenig Schulden machen!“ Detlef wird die CD kaufen. „Aus sentimentalen Gründen. Ich habe sie bei Saturn für 23 Mark gesehen.“ Thomas (Im- und Export) sagt, BAP mache keine Schweinemucke. „Man hat den Eindruck, daß sie sich Gedanken machen. Eine gewisse Ehrlichkeit kommt rüber.“ Adrian holt Cola für alle.

Wolfgang sitzt bei den Journalisten und erzählt von einem Hund, den seine Frau auf den Philippinen vor dem Kochtopf gerettet hat und der jetzt alle Naslang scheinschwanger ist. Im Weserkurier mißlang eine kölsche Formulierung. Da stand, das Konzert sei „för umsonz“ gewesen. Es heißt aber, sagt Wolfgang, „för ömesons“. BAP-Kölsch speist sich aus der Eifel, dem Siebengebirge und Köln. Kein „Wrede-Kölsch“. Wrede ist ein Professor, der drei Bände Deutsch-Kölsch geschrieben hat. Wrede-Kölsch: „wigg un brigg“. BAP-Kölsch: „weit und breit“. Daß niemand seine Texte versteht, findet Wolfgang nicht schlimm. „So ergibt sich ein impressionistisches Bild. Da bleibt Raum im Kopp.“ Raum statt Message. „Message kann nerven.“ In Bremen hat Wolfgang zum erstenmal jemanden gesehen, der eine Nordrhein-Westfalen-Fahne schwenkte. „Besser als Schwarzrotgold.“ Seine Kinder (fast vier) haben auch ein Problem mit Schwarzrotgold. „Das bin ich schuld.“ Insofern ist Wolfgang Niedecken und somit BAP eine Bastion. Der Schaffner ist der unschaffnerischste Schaffner, den die Bundesbahn aufbieten konnte. Er lacht ununterbrochen mit dem Mund, um zu zeigen, daß er kein Problem mit BAP hat. Eventuell ist er der einzige echte Fan in Erichs Salonwaggon. In Münster steigen die Essener Journalisten und Rätselgewinner zu. In Essen steigen die Kölner Journalisten und Rätselgewinner zu. In Köln wird noch mal auf der Domplatte gespielt. BAP: ein Heimspiel! Wolfgang findet die Idee mit der Eisenbahnpräsentation Klasse. Nur: Was ist mit dem nächsten Mal? „Wie toppen wir dat?“

Burkhard Straßmann