Durchs Dröhnland
: Erregter Klingone

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Die Besetzung verrät einiges über Crash Worship. Die Kalifornier treten mit zwei Sängern und zwei Schlagzeugen an. Und einer Gitarre, die sich beständig weigert, wie eine Gitarre zu klingen. Die beiden Trommler treiben sich zu rhythmischen Irrsinnigkeiten, die beiden Sänger können Melodie nicht einmal buchstabieren und der Gitarrist bearbeitet irgendwo dazwischen seine Effektgeräte. Es gibt rhythmische Geflechte, allerlei Lautmalerei, aber prinzipiell geht alles.

Immer wieder tauchen vertraute Elemente auf, ob nun Klänge aus dem Industrial, afrikanische Rhythmen, Techno- Beats oder das hypnotische Anschwellen des Trance. Das Wort Avantgarde klingt in diesem Zusammenhang viel zu brav. Dies ist schon eher die Vertonung der neuesten Tätowierung deines Nachbarn, der manchmal nachts den Putz mit dem Vorschlaghammer von den Wänden holt. Der späte Frank Zappa dürfte sich wohlig im Grabe kuscheln. Vielleicht wäre er auch gerne selbst dabei.

30. 8., 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224

Als im Frühjahr einige Kreuzberger Bands nach Exjugoslawien reisten, war das mehr eine politische Geste als eine kulturelle Großtat. Bertz Rache oder die Moron Brothers hätten spielen können, was sie wollen, Hauptsache, sie fuhren hin. Ähnlich verhält es sich dann auch umgekehrt. Daß die beiden bosnischen Bands Black Sabah und Tajna Veza den Weg hierher gefunden haben, das allein zählt: Normalität versuchen.

Die Musik wird da recht unerheblich, auch die wohl als Punk-Rock gemeinten Gemütlichkeiten von Black Sabah, einer Band, die sich pünktlich zu Beginn der Belagerung Sarajewos zusammenfand und noch nie außerhalb der Stadt aufgetreten ist. Tajna Veza wurden 1993 von muslimischen und kroatischen Flüchtlingen in Zenica gegründet und spielen auf Melodie und Harmonie bedacht ihre Songs mit Gitarre, Baß, Schlagzeug und Orgel.

31. 8., 20 Uhr, Kirche von Unten, Kremmener Straße 9-11

Club Off Chaos sind das aktuelle Projekt von Jaki Liebezeit, früher einmal Trommler der legendären Krautrocker Can, dann immer die Stöcke schwingend, wo wichtig drauf stand, aber kein Geld zu verdienen war. Boris Polanski und Dirk Herweg programmieren die Computer, die neben Liebezeits stoischem Schlagzeug daherflirren. Das ist meist wenig spektakulär, hört sich mitunter nach Can an, führt aber immerhin vor Augen, wo einige der Wurzeln des aktuellen Dancefloor herkommen.

Fast am nettesten ist die amüsante Tatsache, daß ein Mensch fast so exakt klöppeln kann wie eine Maschine. Erst, wenn man die Augen schließt und die Sequenzer nur mehr als Hintergrundfolie wahrnimmt, entstehen doch noch Klanglandschaften. Wenn der Club Off Chaos ein paar Dünen zu bieten hat, dann sind Sun Electric ein Mittelgebirge. Ihre Stücke tragen hübsche Namen wie „Aaah!“ oder „Point X“, fangen gern vorsichtig an und steigern sich dann in einen ähnlichen Tuckertaumel. Darüber werden nur ganz vorsichtig Geräusche gesetzt. Du kannst Trance dazu sagen und darauf tanzen, du kannst aber auch einfach nur zuhören. Dann solltest du aber vorher einen riesengroßen Joint rauchen.

31. 8., 21 Uhr, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz

Aus dem Schimpfwort Krautrock ist inzwischen fast ein Gütesiegel geworden. Nicht allzu weit entfernt von der Volksbühne, wo mit Jaki Liebezeit am gleichen Abend ein originaler Krautrocker auftritt, findet die Record Release Party eines Samplers statt, der dokumentieren möchte, „was man als Krautrock mit den Mitteln der 90er bezeichnen könnte“. Und „Autoreverse/Volume Zero“ ist nur der Auftakt einer ganzen Reihe, die fortan zeigen wird, daß die Errungenschaften der westdeutschen Avantgarde aus den 60ern und 70ern längst nicht nur in einigen engen Zirkeln gewürdigt werden, sondern inzwischen auch in die Übungskeller durchgeschlagen haben.

Dabei scheint man sich darauf geeinigt zu haben, daß eher selten gesungen wird, und auch die Monotonie eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Überall wird gerne nach fremdartigen Klängen gesucht, aber ansonsten bewegt sich das Spektrum zwischen trockener Elektronik, avantgardistischen Hörspielversuchen und sogar ansatzweise swingendem Easy-Listening-Ersatz.

Auf dem Sampler sind bis auf Kreidler aus Düsseldorf ausschließlich Berliner Bands und Projekte versammelt, von denen u. a. Triplum, Electronauten und Berwenger auftreten werden. Mit dabei auch Tarwater, eines der unzähligen Splitter-, Neben- und Nachfolge- Projekte, die aus Ornament und Verbrechen entstanden sind.

31. 8., 21 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68

Absolut nichts mit solcher Zurückhaltung können Clotted Symmetric Sexual Organ anfangen. Das Quintett beweist einmal mehr, daß man in Japan ein wesentlich gesünderes Verhältnis zum Lärm hat. Oder ein ungesünderes, das hängt von der Entfernung zu den Boxen ab. Bei C.S.S.O. schabt, kratzt und kreischt so ziemlich alles, was schaben, kratzen und kreischen kann. Swingen tut da auch nichts, das klopft höchstens vorwärts und irgendwelche Rhythmusvorgaben werden nach Gutdünken zum Müll gelegt.

Avantgardistisch werden sie auch mal, oder lustig. Aber meistens bricht es einfach aus ihnen raus. Mal tut es auch metallig, dann röhrt der Sänger wie ein allzu erregter Klingone. Auch wenn es sich hin und wieder so anhört, mit Death-Metal hat das trotzdem nichts zu tun, denn beim Kopfwackeln käme man ganz bös durcheinander.

Mit Dead Infection aus Polen und Haemorrhage aus Spanien, 2. 9., 21 Uhr, Knaack Thomas Winkler