Nur im Ausland top

■ Gruner + Jahrs Zeitschriftenumsatz im Inland stagniert. Blätter in Asien und neue TV-Magazine in Vorbereitung

Der Hamburger Verlag Gruner + Jahr, der zu 74,9 Prozent zu Bertelsmann gehört, will sich weiter im Ausland engagieren. Vor allem in China, Rußland und Indien seien neue Titel geplant, sagte der Vorstandsvorsitzende Gerd Schulte-Hillen bei der Vorlage der vorläufigen Bilanz. Angesichts der angespannten gesamtwirtschaftlichen Lage könne G + J mit dem Geschäftsjahr 1995/96 zufrieden sein.

Konkret hat G + J insgesamt in allen Unternehmensbereichen einen Umsatz von über 4,5 Milliarden Mark erzielt, was einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr von 190 Millionen Mark entspricht. Zu schaffen machte dem Medienkonzern die „dramatische Papierpreissteigerung“. Hier mußten etwa 100 Millionen Mark höhere Kosten verkraftet werden.

Zum erstenmal erwirtschaftete der Verlag im Ausland mit 2,3 Milliarden Mark genausoviel Umsatz wie in Deutschland. Den größten Zuwachs verzeichnete der Unternehmensbereich Zeitschriften International mit einem Umsatz von 1,5 Milliarden Mark, 9 Prozent mehr als im Vorjahr. Neben dem Engagement in den USA, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Polen und Italien sondiert der Konzern momentan die Märkte in Rußland und Asien.

In Rußland verhinderten bislang die „politischen Verhältnisse“ entsprechende Aktivitäten. In Indien verbietet ein Kabinettsbeschluß aus den fünfziger Jahren ausländischen Unternehmen Kapitalanlagen im Printbereich – aber laut Schulte-Hillen gibt es Anzeichen, daß sich dies bald ändern wird. Bleibt noch China. Hier kämpft G + J mit der „Bürokratie des Staates“. Zudem will sich der Konzern nur „nutzwertorientiert“ engagieren, also mit Zeitschriften ohne „politische Inhalte“.

Keinerlei Zuwachs konnte das deutsche Zeitschriftengeschäft verzeichnen. Mit einem Umsatz von rund 1,3 Millionen Mark dümpelt es lediglich auf dem Vorjahresniveau. Mit einem Anteil von über 17 Prozent behauptet G + J aber weiterhin die Führungsposition im Anzeigenmarkt der Publikumszeitschriften, gefolgt vom Burda- und Springer-Verlag. Die sogenannten Stammtitel von G + J sind nach eigener Darstellung in guter Verfassung. Dabei hatte erst kürzlich das Zugpferd Stern (Auflage: rund 1,2 Millionen) eine „journalistische Offensive“ und eine neue Werbekampagne dringend nötig.

So mußte sich Schulte-Hillen selbst die Mißerfolge schönreden. So zeigte er sich zufrieden mit der Entwicklung des Klatschblatts Gala (Auflage: 246.000), dabei wurde das erst neulich überarbeitet. Auch die Programmzeitschrift TV-Today hatte ihre Auflagensteigerung auf über eine Million nur erreicht, weil sie kurzfristig für eine Mark verramscht worden war. Für Schulte-Hillen „ein Arbeitssieg“.

Der Unternehmensbereich Zeitungen hat im Geschäftsjahr 1995/96 mit vier osteuropäischen und sieben Zeitungstiteln im Inland seinen Umsatz um 5,6 Prozent auf 619 Millionen Mark gesteigert. Aufpolieren heißt aber auch hier die Parole: So werden zur Zeit Millionen in die Berliner Zeitung investiert (Auflage: 230.000). Auch mit dem Abschneiden der Dresdner Morgenpost und auch der Hamburger Morgenpost (Auflage über 150.000, das Traumziel heißt 200.000) ist G + J unzufrieden. Auch wenn das Blatt nach Aussage von G + J eine „äußerst interessante Leserschaft“ und „junge, gebildete und kaufkräftige Leser“ hat. Die soll seit wenigen Monaten der neue Chefredakteur Mathias Döpfner ans Blatt binden.

In der Zukunft will die leitende Herrenriege bei G + J nicht mehr allzuschnell Tango tanzen und sich mit der Einführung von Massentiteln zurückhalten. Neue Zeitschriften sind allenfalls in Nebensegmenten geplant, vor allem im Jugendbereich. In redaktioneller Kooperation mit dem TV-Sender Viva wurde das Erscheinen einer gleichnamigen Zeitschrift für 14- bis 18jährige angekündigt. Außerdem wollen die Hamburger 1997 eine deutsche Ausgabe des amerikanischen Internet-Magazins Wired auf den Markt bringen.

Größere Expansionen wird es dagegen im audiovisuellen Bereich geben. Hier will Schulte-Hillen sowohl den „Informationsjournalismus“ im Sinne von „Stern TV“ stärken, als auch andere Titel zu Fernsehformaten weiterentwickeln: Geo, Brigitte und Gala. Der Ausbau der Printmedien beziehe sich aber auch auf den Hörfunk. Ragna Reissert