Dem Gericht unbekannt

■ Umstrittenes Hydraulik-Verfahren spielte bei Krümmel-Prozeß keine Rolle

Seit gestern ruht das Atomkraftwerk Krümmel für den Austausch von 140 Brennelementen, der etwa fünf Wochen dauern wird. Aber muß das AKW total abgeschaltet werden, weil meterhohe Einzelteile des Reaktordruckbehälters mit hydraulischer Gewalt passend gemacht wurden? Die Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch, die Hamburger GAL und Greenpeace forderten gestern Schleswig-Holsteins Energieminister Claus Möller (SPD) auf, „den Pfusch-, Riß- und Leukämiereaktor Krümmel endlich stillzulegen“.

Für die Siemens-Tochter Kraftwerksunion (KWU), die den Meiler in den 70er Jahren baute, ist das Aus für Krümmel kein Thema. Die Montage des Druckbehälters sei vom Kieler Energieministerium begutachtet, genehmigt und vor Gericht überprüft worden, referiert KWU-Pressesprecher Mark Derbacher.

Auch Claus Möller, nicht gerade als Atomkraftfreund bekannter Sozialdemokrat, sieht keine Chance, eine Stillegung des Pannen-Reaktors juristisch durchzusetzen: Das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hätte 1988 die auf das umstrittene Hydraulik-Verfahren abhebende Teilerrichtungsgenehmigung für rechtmäßig erklärt, das Bundesverfassungsgericht eine Anfechtung des Urteils nicht zugelassen.

Doch Derbacher und Möller haben nur teilweise Recht. Zwar war das umstrittene Montageverfahren Bestandteil der beklagten Teilerrichtungsgenehmigung; im Lüneburger Prozeß spielte es jedoch keine Rolle. So betont der Vorsitzende Richter Cejka, ihm sei die hydraulische Anpassung der Stahlzylinder „nicht einmal bekannt“ gewesen. Verhandelt und vom Gericht abgesegnet wurden ganz andere Details des Genehmigungsverfahrens.

Das angewendete hydraulische Verfahren sei „erprobt“ und deshalb über „jeden Zweifel erhaben“, weist KWU-Sprecher Derbacher jede Stillegungsforderung zurück. Wo die Erprobung stattgefunden hat, bleibt sein Geheimnis. Auch auf Nachfrage fällt dem KWU-Mann kein einziger Atommeiler ein, in dem Druckbehälter-Bleche mit vergleichbaren Methoden passend gemacht wurden.

Marco Carini

Siehe auch Bericht S. 7