Alte Süderelbe großzügig zubetonieren

■ Ortsumgehung Finkenwerder: AnwohnerInnen wollen Naturschutzgebiet opfern

Es war ein schwarzer Donnerstag für die Umwelt in Finkenwerder. „Der Senat hat entschieden, dem Schutz von Menschen ein höheres Gewicht zu geben bei der Planung der Ortsumgehungsstraße...“ Weiter kommt Bauleitplaner Tilo Foeth von der Stadtentwicklungsbehörde (Steb) nicht. Der Applaus von 700, vielleicht 800 dicht gedrängten Menschen im Bootshaus des Sportvereins Finkenwerder übertönt seine Mikrophon-Stimme.

Seit 25 Jahren protestieren die Menschen hier gegen die Verkehrslawine durch ihr Dorf ins Alte Land, ebenso lange fordern sie eine Umgehungsstraße. Notfalls wollen sie dafür Teile des Naturschutzgebiets Alte Süderelbe opfern. Bei der „Öffentlichen Plandiskussion“ bekamen sie vorgestern die lang ersehnte politische Zusage, daß Hamburg im Zuge der Dasa-Werkserweiterung frühestens 1999, aber immerhin eine zusätzliche Trasse bauen wird. Nur über deren genaue Führung – sechs Varianten stehen zur Wahl, drei davon in der engeren (vgl. Planskizze) – sind sich Gutachter, Verwaltung und Politik noch nicht einig. Bis Jahresende soll der Senat entscheiden.

Denn eine „optimale“ Trasse gibt es für die Experten nicht: Süderdeich-, Landscheide- und Nord- trasse scheiden aus, weil sie entweder zu teuer (die Nordtrasse als kostspieligste kostet 110 Millionen Mark) oder aus anderen Gründen (Hochwasserschutz, Lärmbelastung, städtebauliche Bedenken) nicht realisierbar erscheinen. Bleiben Köterdamm-, Bezirks- und Südtrasse. Erstere wäre günstig zu haben (13 Millionen Mark), würde aber große Privatflächen in Anspruch nehmen und einige Wohnhäuser vom Ort abtrennen.

Bezirks- und vor allem die Süd-Version aber „durchzuführen ist aus ökologischer Sicht nicht legitim, ja, ich weigere mich, die Südtrasse überhaupt als Alternative anzuerkennen“. Die erregte Stimme, die sich da fast überschlägt, gehört Hans-Detlef Schulze, Landschaftsplaner und Trassen-Gutachter – im Auftrag der Steb. Wie konnte die so einen radikalen Umweltschützer engagieren? Befremdete Blicke im Saal treffen sich. Eine Verkehrsführung quer durch das NSG Alte Süderelbe findet Schulze „unverantwortlich“.

Das Publikum und die regierende SPD im Bezirk Mitte nehmen ihm seine Ehrlichkeit übel. Sie interessiert nur, daß der „Ortskern“ sicher nicht von der Straße durchschnitten wird: „Eine Durchgangsstraße wäre ein Verbrechen“, ruft einer. Und läßt sich nicht beirren, die erste Strophe von „Finkenwerder, unsere Heimat“ stehend vorzutragen.

Solange sie den Verkehr nicht vor ihrer eigenen Haustür haben, interessiert die EinwohnerInnen wenig, ob im Vorfeld versäumt wurde, statt über eine weitere Straße über eine verbesserte Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nachzudenken. Und ob deswegen ein paar Kilometer weiter südlich das NSG Alte Süderelbe großräumig zubetoniert wird, ist ebenso belanglos. So weit reicht der Blick aus gardinenverhangenen, schmucken Häuschen nicht. Heike Haarhoff