Zwei Männer und ein Kind

Lange Zeit nahezu ausgeschlossen, verbessern sich die Chancen für gleichgeschlechtliche Paare, ein Pflegekind erziehen zu dürfen  ■ Von Bettina Müller

Zwei Männer und ein Kind – kann das eine Familie sein? Lange Zeit wurde diese Frage gar nicht gestellt; wie selbstverständlich ging man davon aus, die Homosexualität der Eltern oder eines Elternteils sei eine emotionale Belastung für das Kind. Mittlerweile hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß Schwule oder Lesben ebenso gut für Kinder sorgen können wie Heterosexuelle. Homosexuelle bekennen sich zu ihrer Lebensform, und allmählich ändert sich auch die Einstellung gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren, die ein Pflegekind möchten.

Ob homosexuelle Männer oder Frauen als Pflegepersonen in Frage kommen, wurde in Berlin erstmals Ende der achtziger Jahre öffentlich verhandelt. Anlaß war der Konflikt um einen Jungen, der von seiner leiblichen Mutter bei einem Erzieher in Pflege gegeben worden war. Das Jugendamt Schöneberg hatte die Lebensverhältnisse des Mannes und seines Lebensgefährten überprüft und eine Pflegeerlaubnis erteilt.

Als das Paar in einen anderen Bezirk umzog, traten Probleme auf: Das Jugendamt in Reinickendorf verzögerte die Entscheidung über eine Pflegeerlaubnis. Nach dem Tod der Mutter kam der HIV- positive Junge zu seiner Großmutter; der Einspruch der Pflegeväter wurde schließlich zurückgewiesen.

Daß Auseinandersetzungen um Pflegekinder vor Gericht enden, kommt häufig vor. Denn in der Regel behalten die Eltern das Sorgerecht, können das Kind jedoch nicht ohne weiteres aus einer Pflegefamilie herausnehmen; so soll ein ständiger Wechsel der Bezugspersonen vermieden werden. Bezeichnend für die Auseinandersetzung um den Jungen war die Urteilsbegründung: Das Gericht hielt es für unverantwortlich, das Kind auf Dauer von einem homosexuellen Paar erziehen zu lassen. Der Senat beauftragte daraufhin einen Gutachter, die pädagogische Kompetenz von Homosexuellen als Pflegepersonen zu untersuchen. Das kam zu dem Schluß: Ob ein schwuler Mann als Pflegevater taugt, muß im Einzelfall geprüft werden – nach den gleichen Kriterien wie bei Heterosexuellen.

In den Niederlanden und in Dänemark ist es bereits seit fünfzehn Jahren üblich, Pflegekinder an Homosexuelle zu vermitteln. Auch die Berliner Pflegekindervorschriften schließen das nicht aus; dennoch wurden bisher erst wenige Kinder an gleichgeschlechtliche Paare vermittelt. Derzeit sind in Berlin nur neun von 3.000 Kindern und Jugendlichen in gleichgeschlechtlichen Pflegefamilien. Generell gilt für alle Interessenten: Das Jugendamt überprüft die wirtschaftlichen Verhältnisse und die pädagogische Eignung. Wichtig ist vor allem die Bereitschaft, sich auf ein fremdes Kind einzulassen und dessen Bindungen an die Herkunftsfamilie zu akzeptieren.

„Die Eignung der Pflegeeltern darf nicht von ihrer sexuellen Orientierung abhängig gemacht werden“, so Peter Widemann, Referent für Erziehungshilfen der Senatsverwaltung für Jugend und Familie. „Im Vordergrund stehen die Bedürfnisse des Kindes.“ In der Praxis gebe es jedoch oft erhebliche Widerstände, die nicht immer offen ausgesprochen würden. Dennoch steigt die Bereitschaft der Behörden, sich mit unkonventionellen Lebensformen auseinanderzusetzen.

Auch Cordula de la Camp vom Arbeitskreis zu Förderung und Vermittlung von Pflegekindern e.V. sieht keine Unterschiede zwischen homosexuellen und heterosexuellen Pflegeeltern; der Verein berät zukünftige Pflegeeltern und leibliche Eltern bei rechtlichen und psychologischen Fragen. Zu Konflikten sei es allerdings gekommen, wenn die leiblichen Eltern erst im nachhinein erfuhren, daß die Pflegemutter mit einer Frau zusammenlebt. Inzwischen treten Homosexuelle selbstbewußter auf; zudem ist für viele Lesben und Schwule der Gedanke an eine Familie nicht mehr so abwegig. Cordula de la Camp bestätigt: „Die Anfragen häufen sich.“

Daß Schwule oder lesbische Paare keineswegs die schlechteren Eltern sind, bestätigen auch zahlreiche Studien aus den USA. Die Befürchtung, Kinder homosexueller Paare würden in Kindergarten oder Schule benachteiligt oder ausgegrenzt, konnte nicht bestätigt werden. Außerdem wurde deutlich, daß die sexuelle Orientierung der Eltern keineswegs prägend ist: Frauen, die von lesbischen Müttern erzogen wurden, zeigten keine größere Vorliebe für das eigene Geschlecht als Frauen aus traditionellen Familien. Für die Kinder zählte nicht das Geschlecht der Eltern, sondern eine glückliche Partnerschaft.