182.000 Mark pro Räubernase

Weniger Banküberfälle, aber fettere Beute: Letztes Jahr raubten 54 Täter zehn Millionen Mark. Ob Polizist oder Journalist, jeder hätte gern viel Geld  ■ Von Barbara Bollwahn

Das erste Mal passierte es 1966. Da nahm die Serie von Überfällen auf eine Filiale der Berliner Bank in Buckow ihren unheilvollen Anfang. Nachdem die Bankangestellten 14 lange Jahre Zeit hatten, sich von dem ersten maskierten Schreck zu erholen, hallte 1980 das zweite „Hände hoch, Geld her!“ durch den Kassenraum.

Fünf Jahre später war es wieder soweit. Auch 1986 bekam die Filiale räuberischen Besuch. Nach drei überfallfreien Jahren war die Bank 1991 gleich dreimal Ort eines Verbrechens. Ein Jahr darauf schlugen Bankräuber sogar viermal zu. Zwischen 1993 und 1995 wurde der legale Geldfluß nicht einmal unterbrochen. Dieses Jahr suchte wieder ein Bankräuber die Filiale auf. Über die Schadenshöhe will die Bank ebensowenig verraten wie über die Gründe für die offensichtliche Attraktivität. „Vielleicht hat es damit zu tun, wie lange es dauert, bis die Polizei kommt oder wie oft Streife gefahren wird“, mutmaßt eine Sprecherin.

Daß ein und dasselbe Geldinstitut mehrere Male hintereinander überfallen wird, ist keine Seltenheit, auch wenn die Filiale in Buckow eine unrühmliche Ausnahme ist. Ein Mann, der innerhalb kurzer Zeit dreimal hintereinander in die gleiche ABC-Bank hineinspazierte und insgesamt 65.000 Mark erbeutete, begründete dies nach seiner Festnahme so: „Weil es so einfach ging.“

Doch die Zeiten der großen Bankcoups scheinen vorbei zu sein. Videokameras und zeitverzögerte Geldschränke wirken nicht gerade ermutigend. Wurden 1994 105 Banken und Sparkassen überfallen, waren es im letzten Jahr nur noch 64. Das ist nach Angaben von Polizeisprecherin Sonja Wilke der „tiefste Stand nach der Wiedervereinigung“. Hatte sich die Anzahl der Überfälle in den Jahren 1986 bis 1990 bei etwa 50 eingependelt, war zwischen 1991 und 1993 ein Anstieg von 100 auf 130 zu verzeichnen. Eine weitere Besonderheit in der Statistik: Waren 1994 15 Prozent der Tatverdächtigen Nichtdeutsche, ging nicht einer der 54 geglückten und später aufgeklärten Überfälle im vergangenen Jahr auf das Konto von Ausländern.

Dem starken Rückgang von Banküberfällen steht eine große Zunahme des erbeuteten Geldes gegenüber. Im letzten Jahr wechselten fast zehn Millionen Mark unerlaubterweise den Besitzer. Nach Angaben von Pressesprecherin Wilke sind es dreimal so viele wie 1994. Im Durchschnitt macht das 182.000 Mark pro Bankräubernase. Dabei waren die Bankräuber nicht unbedingt bis an die Zähne bewaffnet. Von den 64 Überfällen im vergangenen Jahr wurden in 35 Fällen Schußwaffen verwendet. Viermal wurde geschossen.

Zu den zehn Millionen Mark kommen weitere zehn Millionen hinzu, die noch immer aus der 16- Millionen-Mark-Beute aus dem Überfall im Sommer letzten Jahres auf eine Commerzbank-Filiale in Zehlendorf fehlen. Ob die jemals wieder auftauchen, scheint so ungewiß wie ein Fünfer im Lotto mit Zusatzzahl. Auch über den Verbleib der anderen zehn Millionen Mark schweigt sich die Polizei aus. Zu groß scheint die Angst vor Nachahmern zu sein. Betrachtet man aber die Aufklärungsquote, kann man davon ausgehen, daß mindestens jeder zweite Raub von Erfolg gekrönt ist. Von den 105 Überfällen 1994 wurden 61 Prozent aufgeklärt. Im letzten Jahr lag die Aufklärungsquote bei nur 42 Prozent.

Dieser Fifty-fifty-Chance auf das große Geld widersteht kaum eine Berufsgruppe. Unter den Bankräubern finden sich ebenso Polizisten und Geschäftsmänner kurz vor der Pleite wie freischaffende Künstler, Fremdenlegionäre, Arbeitslose oder Knackies im Hafturlaub. „Jeder hätte gern viel Geld, das sind nicht nur die sozial Schwachen“, sagt Polizeisprecherin Wilke ganz treffend. Im Februar dieses Jahres überfiel ein Journalist der B.Z. eine Sparkasse mit einer Schreckschußpistole und forderte 12.000 Mark. Einsacken konnte er fast das Dreifache. Doch kurz nachdem er die Polizeisuchmeldung noch selbst für sein Blatt redigiert hatte, klickten die Handschellen. Das Geld brauchte er zur Finanzierung seines Drogenkonsums.

Den „klassischen Bankraub“ beschreibt Wilke so: „Die gehen rein, drohen mit einer Waffe und gehen wieder raus.“ Bei der Bekleidung und Bewaffnung dagegen ist der Phantasie der Bankräuber keine Grenzen gesetzt. Die Kostümierung reicht von der Sonnenbrille über die Faschingsmaske bis zur klassischen Strumpfmaske. Auch bei den Waffen ist Vielfalt angesagt: Vorschlaghammer, Maschinen- und Schreckschußpistolen oder abgesägte Schrotflinten.

Selbst eine Spielzeugpistole zählt als Waffe und bedeutet eine Mindeststrafe von fünf Jahren Gefängnis. „Das führt manchmal zu ungerechten Ergebnissen“, räumt Justizsprecher Rüdiger Reiff ein. Wer nur mit dem Zeigefinger droht, muß immerhin mit mindestens einem Jahr Gefängnis rechnen. Das Maximum von zehn Jahren für einen unbewaffneten Überfall und fünfzehn Jahren für einen bewaffneten Raub wird nach Angaben des Justizsprechers „kaum verhängt“. Der Durchschnitt seien fünf bis sieben Jahre. Im letzten Jahr wurde ein spielsüchtiger Kriminalhauptkommissar, der mit seiner Dienstwaffe drei Banken überfallen hatte, zu fünfeinhalb Jahren verurteilt.