Taten sind längst überfällig

■ Die Sonnenenergiewirtschaft ist ein politisches Problem - kein technisches. Nach Süden ausgerichtete Dächer und Fassaden bergen ein großes nutzbares Potential.

Die Machbarkeit einer solaren Energiewirtschaft, also einer Energieversorgung aus regenerativen Energiequellen wie Solarenergie, Windenergie, Wasserkraft und Biomasse, kombiniert mit einer hohen Effizenzsteigerung und Energieeinsparung, wird heute von keinem Experten mehr ernsthaft bestritten. Das technische Potential der Solarenergie ist auch in weniger sonnenverwöhnten Ländern als Deutschland enorm hoch. Vor allem die (industrie-)politischen Rahmenbedingungen verzögern jedoch den energetischen Sonnenaufgang.

Auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entfallen im Jahresmittel auf einen Quadratmeter etwa 1.000 Kilowattstunden (kWh) Sonnenenergie. An einem Beispiel läßt sich dieser Wert näher erläutern: Nehmen wir einen durchschnittlichen, leicht bewölkten Sommertag im August. Während dieses Tages beträgt die Summe der eingestrahlten Sonnenenergie etwa 6,5 kWh pro Quadratmeter, dies ist ein durchaus realistischer Wert. Bei einer Landesfläche von 356.732 Quadratkilometern wird eine Energiemenge von rund 2.300 Terawattstunden (1 TWh = 1 Milliarde kWh) von der Sonne auf die Bundesrepublik abgegeben. Zum Vergleich: Der Jahresstrombedarf Deutschlands liegt bei rund 525 TWh. Allein diese Tatsache zeigt das enorme Potential, das uns die Solarenergie bietet. Zur näheren Beurteilung ist es jedoch wichtig, wieviel dieser Energie wir auch tatsächlich technisch nutzbar machen können, denn keiner möchte das halbe Land mit Solaranlagen zupflastern. Und dies ist auch gar nicht notwendig. Allein auf nach Süden ausgerichteten Dächern und Fassaden steht in Deutschland eine Fläche von etwa 800 Quadratkilometern zur Verfügung, dies entspricht etwa der Größe des Bodensees. Wird diese Fläche mit Photovoltaikanlagen mit einem durchschnittlichen Wirkungsgrad von 10 Prozent ausgestattet, so können pro Tag 520 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt werden. Im Jahr summiert sich diese solar produzierte Strommenge auf etwa 100 TWh, knapp 20 Prozent des jährlichen bundesdeutschen Strombedarfs.

Hinzu kommen für die Solartechnik nutzbare Freiflächen, also Parkplätze, Schallschutzwände, Bahnstrecken, aber auch brachliegende Ackerflächen. Auf die Nutzung des letzteren sollte man jedoch in der Regel verzichten. Die Größe der technisch nutzbaren Freiflächen wird mit bis zu 3.500 Quadratkilometern angegeben. Um eine möglichst optimale Ausnutzung der Sonnenenergie für den Klimaschutz und der dafür bereit stehenden Flächen zu erzielen, müssen zukünftig Solarkollektoren (zur Bereitstellung von Warmwasser) und Photovoltaikanlagen in einem ausgewogenen Verhältnis installiert werden.

Was aber, wenn die Sonne nicht scheint? Das Energieangebot der Sonne ist starken jahres- und tageszeitlichen Schwankungen unterworfen. Aufgrund dieser Tatsache kann nur ein bestimmter Prozentsatz der Energieversorgung über eine direkte Solarenergienutzung abgedeckt werden. Eine Sonnenenergiewirtschaft, wie von Greenpeace seit Jahren gefordert, wird daher nur mit einem Energiemix der regenerativen Quellen praktizierbar sein. Das Wind- und Sonnenenergieangebot, dies zeigen langjährige Messungen und praktische Erfahrungen, wechseln sich gegenseitig ab. Das vorhandene öffentliche Stromnetz kann bis zu einem Anteil von rund 15 Prozent als Speicher dienen, ohne daß dies die Zuverlässigkeit und Versorgungssicherheit der Stromversorgung gefährdet.

Dieser Anteil läßt sich noch erhöhen, wenn der Verbrauch dem Stromangebot angepaßt wird. Dies kann mit zeitvariablen Tarifen beeinflußt oder technisch realisiert werden. Beispielsweise können Waschmaschinen mit einer Regelung ausgestattet werden, welche bei einem hohen Angebot an Solarenergie den Waschvorgang einleitet, ohne daß bei bewölktem Himmel wieder eine Abschaltung stattfindet. Wird der Anteil an regenerativen Energien noch höher, und dies ist leider erst Zukunftsmusik, so müssen Speichermedien oder Backup-Generatoren auf Biogasbasis eingesetzt werden.

Die Sonnenenergiekarte zeigt deutlich, daß auch in Deutschland Sonnenenergie reichlich vorhanden ist (siehe Kasten). Die bereits auf dem Markt erhältlichen Technologien lassen den Einstieg in das Solarzeitalter ab sofort zu. Die Politik muß endlich erkennen, daß der Aufbau einer regenerativen Energieversorgung kein technisches, sondern in erster Linie ein (industrie-) politisches Problem ist. Deutschland emittiert jährlich fast 1 Milliarde Tonnen Kohlendioxid und trägt so massiv zum Treibhauseffekt bei. Eine vorausschauende Klimaschutz- und Energiepolitik erfordert mehr als ein paar Mark für einzelne Demonstrationsvorhaben. Die Solartechnik hat das Potential, ein ernstzunehmender Wirtschaftszweig zu werden, welcher auch Arbeitsplätze schaffen kann. Nicht umweltfreundliche Statements sondern umweltfreundliche Taten sind jetzt überfällig. Sven Teske

Der Autor ist Solar-Experte bei Greenpeace Hamburg.

Kontakt: Tel.: 040-30618304