Mit den Opfern auf einer Wellenlänge

■ Zum Ende der Mißbrauchskonferenz reden die Kinder

Stockholm (taz) – Alle sprachen von den Kindern. Das werden sie am heutigen Schlußtag der Konferenz gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern, an dem nur noch Abschlußreden auf dem Programm stehen, wieder tun. Und wo waren die Kinder, die doch selbst aktiv an der Arbeit des ersten Weltkongresses gegen den kommerziellen sexuellen Kindesmißbrauch teilnehmen sollten? Es gab sie tatsächlich, wenn auch so gut wie unsichtbar. Knapp 20 der 1.200 Delegierten waren Jugendliche.

Karin Andersson, 16jährige Schwedin, mußte weinen, als die philippinischen Jugendlichen von sexuellen Übergriffen berichteten. Bleasie ist 17 Jahre, Vera 15 und Ruby 14. In ihrer philippinischen Heimat sind sie alle drei in Hilfsaktionen für verlassene Kinder, Straßenkinder und sexuell mißbrauchte Kinder engagiert. Sie wissen, wovon sie reden: Bleasie ist von zu Hause abgehauen, Ruby wurde von seiner Mutter verlassen.

„Vielleicht haben sie deshalb Vertrauen zu uns“, versucht Ruby zu erklären. „Kinder, die von Erwachsenen sexuell ausgenutzt worden sind, trauen oft keinem Erwachsenen mehr. Wir haben die gleiche Wellenlänge.“ Ruby, Bleasie oder Vera sind dabei, wenn Psychologen im örtlichen Kinderhilfszentrum versuchen, mit mißbrauchten Kindern zu reden, und sie helfen mit, deren Mißtrauen abzubauen. Warum sich Erwachsene an Kindern vergreifen, darauf haben sie keine Antwort. „Vielleicht sind sie krank und wurden selbst mißbraucht“, meint Vera. Und Bleasie: „Es geht um Diskriminierung. Die Männer, die auf die Philippinen kommen, sind aus Japan, USA und Europa. Sie sind reich, wir arm. Sie fühlen sich als Kings. Wir sind Dreck.“

Die Deklaration der Konferenz, der Handlungsplan, den die einzelnen Regierungen in den nächsten Jahren umsetzen sollen? Kaum mehr als eine „Hoffnung“. In den USA, Kenia, Kambodscha, Großbritannien, Belgien und Brasilien etwa ist der sexuelle Mißbrauch von Kindern und Kinderpornographie verboten. Bloß nutzt das nicht viel. Und Veronique Grossi aus Belgien befürchtet, zusätzliche Verbote würden nur die Kriminalität im Zusammenhang mit dem Sexgeschäft steigern und die Situation der Betroffenen möglicherweise nur noch weiter verschlechtern. Reinhard Wolff