Bergmann votiert für DGB-Umlage

■ Arbeitssenatorin bekennt sich erstmalig zur gesetzlichen Ausbildungsumlage: Lehrverweigerer zahlen, das Arbeitsamt reicht die Mittel an die Lehrherren weiter. DIHT: Tarifverträge nicht so genau nehmen

Lauter unkonventionelle Vorschläge zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres am heutigen Montag: Der DIHT plädierte dafür, es mit den Ausbildungstarifen nicht mehr so genau zu nehmen und Lehrlingen weniger zu zahlen. Und Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) bekannte sich erstmals zu einem konkreten Modell der Umlagefinanzierung, obwohl der SPD zu deren Durchsetzung die Mehrheit fehlt.

Die DGB-Umlage soll es sein, sagte die Bürgermeisterin beim Ausbildungsforum von Jusos und DGB-Jugend. Bergmann kündigte an, demnächst eine Umlage vorzuschlagen, die der DGB-Ausbildungsumlage „sehr nahe kommt“: Sie will ausbildungsunwillige Betriebe per Gesetz zu einer Abgabe verdonnern, mit der die Arbeitsämter bei Ausbildungsbetrieben zusätzliche Stellen finanzieren. (siehe Kasten)

Für „unkonventionelle Lösungen“ bei der Ausbildungsvergütung plädierte indes erneut der Deutsche Industrie- und Handelstag. Beim Azubilohn solle man „sich nicht mehr streng und konsequent an die tariflichen Vereinbarungen halten“, meinte DIHT- Hauptgeschäftsführer Franz Schoser im Rundfunk. Es gebe viele Jugendliche, die sagten: „Ich will lieber eine geringere Ausbildungsvergütung, aber einen Lehrplatz.“

Ein durch die Kammern organisiertes Umlagemodell lehnte Senatorin Bergmann ab. „Ich bin der Meinung, das bringt uns nichts“, erteilte sie unter dem Beifall junger GewerkschafterInnen und JungsozialistInnen im DGB-Haus dieser Variante eine Absage. Dabei bliebe es den Zwangsverbänden der Industrie und des Handwerks (Kammern) überlassen, wie sie Ausbildungsverweigerern einen finanziellen Beitrag für die berufliche Bildung abverlangen. In Berlin und Brandenburg bereiten inzwischen weniger als ein Drittel der Unternehmen junge Leute auf Beruf und Zukunft vor. Allein an der Spree suchen zum Start des Lehrjahres noch rund 5.400 Kids nach einem Ausbildungsplatz.

Im DGB-Haus in der Keithstraße kamen keine Zweifel an der Richtigkeit einer Umlagefinanzierung auf, für die sich mittlerweile auch der Arbeitnehmerflügel der Union stark macht. Es gehe nicht um „die Interessen der Wirtschaft“, wies Jusovorsitzender Matthias Linnekugel die Bedenken gegen die Ausbildungsumlage zurück, „sondern um die der Jugendlichen“. Er erwarte, daß sich die SPD „in Gänze zu dem DGB- Modell bekennt“. Linnekugel bezog sich damit auf einen Dissens unter SPD-regierten Ländern, ob die Kammer-Umlage oder die DGB-Umlage das bessere Finanzierungsmodell sei.

Das duale Ausbildungssystem (Praxis im Betrieb, Theorie in der Berufsschule) sei allein nicht mehr funktionsfähig, da waren sich alle DiskussionsteilnehmerInnen einig. „Wozu noch das duale System diskutieren, wenn es nur noch in einem ganz kleinen Sektor klappt?“ fragte sich auch die Arbeitssenatorin. Als „triales System“ beschrieb der Vize des DGB Berlin/Brandenburg die herrschenden Verhältnisse: 63 Prozent der Lehrstellen in Berlin sind öffentlich finanziert, in Brandenburg sind es gar drei Viertel. Da müsse die Staatsquote gesenkt werden, schlug Christine Bergmann vor.

Verwundert zeigte sich der DGB-Jugendsekretär Marco Steegmann über die jüngsten Zahlen von SchulabgängerInnen ohne Lehrstelle. Angeblich seien derzeit nur noch 4.000 Jugendliche in Berlin ohne Lehrherren, zitierte er Arbeitsstaatssekretär Peter Haupt. Vor vier Wochen hatten noch über 7.000 Ausbildungswillige gesucht. Die überraschende Differenz beruhe auf dem „Großreinemachen“ in den Arbeitsämtern, erläuterte Michael Ehrke von der IG Metall. Alle Jugendlichen, die sich nur einmal als BewerberInnen gemeldet hätten, würden demnach regelmäßig im August als suchende BewerberInnen gestrichen – und statt dessen zusammen mit vermittelten BewerberInnen verbucht. Christian Füller