■ Die irakische Armee marschiert in die Schutzzone ein
: Desaster für die Kurden

Die Schutzzone im Nordirak war von Beginn an ein wohldosiertes Konzept militärischer und humanitärer Maßnahmen, um die strategischen Interessen der Nato, insbesondere der USA und der Türkei, im Nahen Osten zu wahren. Seit die „autonome Region“ existiert, erfolgten Angriffe der türkischen, aber auch der iranischen und irakischen Armee, ohne auf ernsthafte Kritik der Schutzmächte zu stoßen. Denn so verschieden ihre Interessen ansonsten auch sein mochten – einig war sich die seltsame Allianz von Washington bis Teheran in einem Ziel: das Entstehen einer wirklichen kurdischen Autonomie und gar eines kurdischen Staates zu verhindern.

Dieser Konsens prägte auch die Unterstützungsaktion „Provide Comfort“. Wirtschaftliche Aufbauhilfe wurde verweigert, das doppelte Embargo, dem die Schutzzone unterlag, durch Hilfslieferungen abgemildert. Für die kurdische Bevölkerung war dies zuviel zum Sterben und zuwenig zum Leben. Weil die wichtigen Erdölgebiete in Kirkuk aus der Schutzzone ausgeklammert blieben, waren die Kurden zudem zur Abhängigkeit vom Goodwill der Golfkriegsalliierten verdammt. Dies ist der Hintergrund des eskalierten Zwistes zwischen den verfeindeten kurdischen Parteien, Talabanis PUK und Barzanis KDP. Im Kampf um die knappen Ressourcen verschärfte sich der Konflikt zwischen Barzani und Talabani. Die wirtschaftlich katastrophale Lage ließ ihnen offenbar keine andere Wahl, als sich erneut zum Spielball ihrer ärgsten Feinde zu machen.

Das jetzige Desaster für die Kurden ist zugleich ein politisches Dilemma für Bill Clinton. Kurz vor der Wahl muß er Stärke zeigen. Nun hofft er, daß es ausreicht, die Muskeln spielen zu lassen. Denn der Hauptfeind in der Golfregion heißt derzeit nicht Irak, sondern Iran. Sollten Saddams Truppen sich sofort nach Beendigung der „Mission“ wieder zurückziehen, wäre das Bill Clinton gewiß recht. Barzanis KDP, die mit der Türkei und dem Irak zusammenarbeitet, würde zukünftig ein größeres Territorium kontrollieren. Die PUK unter Jelal Talabani, die mit den Iranern kooperiert, hätte entsprechend an Einfluß verloren. Und das Versprechen gegenüber dem Nato-Partner Türkei, das Entstehen eines Kurdenstaates in Norden Iraks nicht zu akzeptieren, wäre ebenfalls erfüllt. Die Gewinner hießen dann Bill Clinton, Saddam Hussein und Erbakan. Opfer wären wieder einmal die Kurden. Angelika Beer

Die Autorin ist verteidigungspolitische Sprecherin von Bündnis 90/ Die Grünen