Ultimatum für „King Rat“ abgelaufen

■ Einer der protestantischen Terroristenführer soll auf Verlangen seiner Exverbündeten Nordirland verlassen

Dublin (taz) – Plötzlich setzt er sich für Menschenrechte ein: seine eigenen. Billy Wright, einer der berüchtigtsten protestantisch-loyalistischen Terroristen Nordirlands, soll es an den Kragen gehen. Die drei paramilitärischen Organisationen der Protestanten haben ihm vier Tage Zeit gegeben, die britische Krisenprovinz zu verlassen. Andernfalls, so warnten sie, werde man „Schnelljustiz“ an ihm üben. Die Frist lief gestern ab.

Grund für die Verbannung ist Wrights Opposition gegen den Waffenstillstand der Loyalisten. Während der protestantischen Paraden im Juli wurde ein Katholik von einer Brigade der Ulster Volunteer Force (UVF) ermordet. Die UVF-Führung löste die Brigade, deren Chef Wright ist, daraufhin auf. Doch die ließ sich nicht so einfach auflösen. Wright weigert sich, Nordirland zu verlassen. Aber er macht sich keine Illusionen, daß seine ehemaligen Kampfgefährten es vielleicht nicht ernst meinen könnten. „Wenn sie nichts unternehmen, gilt ihr Wort nichts mehr“, sagt er, „aber es wird ihnen schwerfallen, eine solche Tat gegenüber ihren Mitgliedern zu rechtfertigen.“ Wright ist 36 Jahre alt und lebt in Portadown, einem der Brennpunkte des Konflikts. Zur Waffe griff er erstmals 1976, nachdem die IRA zehn protestantische Arbeiter erschossen hatte. Das Blutbad sollte ein Ende der Angriffe auf Katholiken herbeiführen, erreichte jedoch das Gegenteil. Wright wurde von den Medien schon bald „King Rat“ getauft. Er soll für eine Reihe von Morden verantwortlich sein, doch nachweisen konnte man ihm nichts. Die IRA ermordete seinen Schwiegervater, Schwager und Onkel, aber Anschläge auf Wright schlugen fehl. Als die Loyalisten im Oktober 1994 einen Waffenstillstand erklärten, war Wright zunächst dafür, doch änderte er später seine Meinung. Daher der Streit mit der loyalistischen Führungsspitze.

Die derzeitige Eskalation des Streits könnte weitreichende politische Folgen haben. Schon fordern die beiden großen protestantischen Parteien, die lästige Konkurrenz im eigenen Lager von den Mehrparteiengesprächen, die am nächsten Montag wieder aufgenommen werden, auszuschließen: Die Progressive Unionist Party und die Ulster Democratic Party gelten nämlich als politische Flügel der loyalistischen Paramilitärs und konnten bei den Wahlen im Mai einen Achtungserfolg erzielen. „Jemand, der einem anderen mit Ermordung droht, wenn er nicht aus dem Land verschwindet, benimmt sich nicht gerade so, wie man es in einer Demokratie erwarten könnte“, sagte Peter Robinson, der Stellvertreter des Presbyterianer-Pfaffen Ian Paisley.

Ein anderer nordirischer Konfliktpunkt ist dagegen für dieses Jahr überstanden: Am Samstag ging die letzte Parade der protestantischen Marschsaison ohne Zwischenfälle über die Bühne. Der Oranier-Orden hatte darauf verzichtet, durch die katholische Lower Ormeau Road in Belfast zu marschieren. Ralf Sotscheck