Für die öffentliche Sicherheit von Grevesmühlen

■ 700 Polizisten gegen 150 Demonstranten: Einsatztrupps lösen verbotene Demo gegen die angeblichen Brandtäter von Lübeck gewaltsam auf. Schaulustige applaudieren

Lübeck (taz) – Sie waren nach Grevesmühlen gefahren, um „den Tätern auf die Pelle zu rücken“ – doch dazu blieb den rund 150 überwiegend aus Berlin angereisten DemonstrantInnen keine Zeit. Als sie am Samstag um 17.20 Uhr auf dem Bahnhof der mecklenburgischen Kleinstadt eintrafen, wurden sie von rund 700 Polizeibeamten in Empfang und dann allesamt bis in die frühen Morgenstunden in Gewahrsam genommen.

Zuvor hatten sich rund 300 vorwiegend aus der autonomen Szene stammenden DemonstrantInnen in der Lübecker Innenstadt versammelt, um dort friedlich gegen die Ermittlungspraxis im Zusammenhang mit dem Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim in der Hafenstraße zu protestieren. Bei dem Anschlag waren im Januar zehn Menschen ums Leben gekommen. Die ProtestlerInnen kritisierten die Einstellung der Ermittlungen gegen vier rechtsgerichtete Jugendliche aus Grevesmühlen und Umbebung, die sich in der Tatnacht in der Nähe des Brandortes aufgehalten hatten. Ursprünglich sollte die Demonstration in Grevesmühlen stattfinden, war aber wegen befürchteter Ausschreitungen verboten worden.

Die Hälfte der Lübecker ProtestlerInnen wollte sich ihr Versammlungsrecht nicht nehmen lassen und stieg anschließend in den Zug nach Grevesmühlen, um dort eine kurze Kundgebung abzuhalten. Auf dem Grevesmühlener Bahnhof ging die Polizei gegen die verbotene Versammlung mit äußerster Härte vor. Ohne Vorwarnung stürmten Einsatztrupps auf die von ihnen eingekesselten DemonstrantInnen zu und knüppelten wahllos in die Menge. Mehrere ProtestlerInnen wurden dabei verletzt. Anschließend zerrten die Beamten einzelne Personen aus der Gruppe, brachten sie gewaltsam zu Boden und legten ihnen Plastikfesseln an. Die Polizeiaktion fand unter dem Applaus von rund hundert am Bahnhof versammelten Schaulustigen statt, darunter auch etliche Skinheads, die die DemonstrantInnen mit Hitlergruß und faschistoiden Parolen „begrüßt“ hatten.

Die in Gewahrsam genommenen Personen wurden zu verschiedenen Sammelplätzen in Grevesmühlen und Boltenhagen gekarrt und dort bis in die frühen Morgenstunden festgehalten. Ein Schweriner Polizeisprecher begründete den Einsatz mit einer von der Demo angeblich ausgehenden „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“. Einzelne Beamte machten gegenüber den Festgenommenen hingegen deutlich, daß sie das Vorgehen für unangemessen hielten. Ein Polizist: „Ich bin ja nur ein kleines Glühwürmchen, und wenn der große Strahler sagt: Abräumen!, dann muß ich abräumen.“ Marco Carini