Bäcker will kaum jemand werden

■ Über 500 Jugendliche im Land Bremen haben keine Lehrstelle gefunden. Die Handelskammer will deshalb die Löhne für Azubis senken

Wenn in vier Wochen das neue Ausbildungsjahr beginnt, werden über 500 Jugendliche leer ausgehen. „Das sind mehr als erwartet“, gibt Arbeitsamtsdirektor Christian Hawel zu. Schulabgänger, die bisher allein erfolglos eine Lehrstelle suchten, stehen jetzt ebenfalls beim Arbeitsamt Schlange. Horst Meyer, Geschäftsführer der Bremer Handelskammer, aber klopft sich beruhigt auf die Schulter: „Wir haben viel getan“. Er bemühte sich gestern gemeinsam mit Arbeitsamtsdirektor Hawel und dem Geschäftsführer der Handwerkskammer, Siegfried Mittag, die Krise nicht „dramatischer zu reden als sie eigentlich ist.“

Die Fakten sprechen jedoch eine andere Sprache: In Bremen und Bremerhaven sind derzeit 1.819 Bewerber gemeldet, doch nur 541 Stellen sind noch frei. Allein in Bremerhaven stehen 10 Prozent weniger Ausbildungsplätze auf der Liste als noch 1995. Zur Zeit stehen 212 offene Stellen 482 Bewerbern gegenüber. Das sind rund 24 Prozent mehr als vor einem Jahr. In Bremen schlägt die Vulkan-Pleite allein mit 80 fehlenden Ausbildungsplätzen zu Buche. Doch auch Großunternehmen wie Telekom, Deutsche Post oder auch Siemens und Mercedes-Benz haben bundesweit in den letzten zehn Jahren jede dritte Lehrstelle abgebaut. Trotz dieser „angespannten Strukturkrise“ in Bremen spricht Handelskammer-Chef Meyer von „einer erfreulichen und hoffnungsvollen Bilanz“ bei der Lehrstellenakquise. Ausbildungsverbünde seien organisiert, ABM-Akquisiteure und Außendienstler in über 700 Betriebe geschickt und Betriebsbefragungen angestrengt worden.

Daß trotzdem Hunderte von Jugendlichen leer ausgehen, daran sei auch das „Prestigedenken der Jugendlichen“ schuld, so Handwerkskammer-Chef Siegfried Mittag. Und dafür hat er auch Beweise: 150 Stellen im Handwerk seien immer noch nicht besetzt. „Die wollen die Jugendlichen nicht haben“, so Mittag. Denn die drängen in „Modeberufe“ wie Elektro- oder Kfz-Mechaniker vor und verschmähen traditionelle Berufe wie Bäcker oder Fleischer. Nicht nur verschrobenes Wunschdenken gestalte die Lehrstellensuche schwierig, auch an der Qualifikation würde es gehörig mangeln. „Viele Betriebe würden ja gerne ausbilden“, so Meyer, „dafür hätten sie sogar Geld. Aber sie finden keine geeigneten Bewerber.“ Wenn ein Malerlehrling die Farbe für einen Giebel berechnen könne, sei das schon toll, so Meyer. Überzogenenes Anspruchsdenken sei das bei weitem nicht und auch den Jugendlichen wolle man damit nicht den schwarzen Peter zuschieben. Schuld seien auch die Schulen: Dort müßte schon in der 7.Klasse eine „gezielte Karriereplanung“ anlaufen. „Sonst machen die Schüler später auf Industriekaufmann und eignen sich gar nicht dafür.“

Die „sinkende Ausbildungsbereitschaft“ bei den Betrieben hat laut Meyer jedoch noch einen anderen Grund: Zugunsten der Firmen müßte nämlich die tarifvertragliche Übernahmegarantie sofort abgeschafft werden. Denn auf lange Sicht wollten sich nur noch wenige Unternehmer auf solche gesicherten Arbeitsplätze festlegen. Dieser Vorschlag bringe viel mehr, als die in Bonn diskutierte Ausbildungsplatzabgabe: „Da würden sich viele Betriebe einfach nur freikaufen und fragen: Ich bilde nicht aus, was kostet das denn? Meyer zeigt für die Sorgen und Nöte der Betriebe vollstes Verständnis. „Die Azubilöhne müssen wir unbedingt von 1.000 auf 700 Mark senken“, schlägt er als weitere Maßnahme vor. Damit ist er nicht so weit gegangen wie Finanzminister Theo Waigel und Kurt Biedenkopf: Sie hatten noch im Frühjahr gefordert, daß sich zwei Jugendliche einen Ausbildungsplatz teilen könnten. Wie dem auch sei – Arbeitsamtsdirektor Hawel blickt bereits düster in die Zukunft: Im Jahr 2000, so seine Prophezeiung, werden weit über 20 Prozent der Beschäftigen ohne richtige Berufsausbildung sein. kat