Irak sichert den Ölexport

■ Die USA waren offenbar über die Arbil-Offensive informiert. Kurdische Autonomie von Saddams Gnaden?

Berlin (taz) – Der irakische Angriff auf Irakisch-Kurdistan soll „Stück für Stück mit den Amerikanern abgesprochen“ worden sein. Das behauptet der nordrheinwestfälische Landtagsabgeordnete der Bündnisgrünen, Siggi Martsch. Gegenüber der taz erklärte der Kurdenspezialist, der kürzlich von einem sechswöchigen Aufenthalt im Nordirak zurückgekehrt ist, im Hauptquartiert von Massud Barsanis Demokratischer Partei Kurdistans (KDP) sei seit Wochen über die gemeinsame Offensive mit dem irakischen Militär gegen die „Patriotische Union Kurdistans“ (PUK) von Dschalal Talabani diskutiert worden. Ziel sei eine von Bagdad gebilligte kurdische Autonomie unter Ausschluß der PUK.

Laut Martsch soll Iraks Staatschef Saddam Hussein der KDP auch die Kontrolle der beiden Ölstädte Mossul und Kirkuk zugestanden haben – bisher Hoheitsgebiet Bagdads. Ähnliche Verhandlungen waren bereits im Anschluß an dem Krieg gegen den Irak im Frühjahr 1991 geführt worden. Damals hatte sich Saddam Hussein jedoch geweigert, die Herrschaft über beide Städte aufzugeben.

Dafür, daß die US-Regierung über den Angriff zumindest informiert war, sprechen auch Äußerungen des PUK-Chefs Talabani. Nach dem irakischen Einmarsch in Arbil erklärte er: „Die Amerikaner hatten versprochen, die Irakis anzugreifen. Aber sie haben sich unentschlossen verhalten.“

Von Washington enttäuscht, droht Talabani nun, sich der Unterstützung des Iran zu versichern. Gegenüber westlichen Journalisten erklärte er am Sonntag: „Ich sage Ihnen ganz offen, wir werden einige Tage warten, um zu sehen, wie die USA und der Westen reagieren. Wenn der Westen uns verrät, werden wir uns an jeden halten, der bereit ist, uns zu helfen.“ Auf Nachfrage sagte er: „Das bedeutet, daß der Westen in der Region am Ende ist. Das Gebiet würde geteilt in eine proiranische und eine proirakische Seite.“

Die irakische Führung und die KDP begründen ihre Angriffe auf die PUK mit der Behauptung, diese verstärke den iranischen Einfluß im Nordirak. Im Juli waren iranische Truppen über die von der PUK kontrollierten Grenze geschritten und hatten das Hauptquartier der Demokratischen Partei Kurdistans–Iran (KDP-I) zerstört. Iranische Kurden berichten, die PUK habe den Grenzübertritt zwar geduldet, gleichzeitig aber die KDP-Iler gewarnt. Tatsächlich war das Lager längst evakuiert, als die iranischen Truppen kamen. Seither halten sich jedoch Gerüchte über weitere iranische Aktivitäten auf irakisch-kurdischem Gebiet. Die KDP behauptet, die PUK werde vom Iran mit schweren Waffen ausgerüstet.

Beobachter in der Region gehen dagegen davon aus, daß es Saddam Hussein bei dem Angriff nicht wirklich um den Iran geht, sondern um die Sicherung der künftigen irakischen Ölexporte. Anfang August hatte der Sanktionsausschuß des UN-Sicherheitsrats der irakischen Fürhung gestattet, unter UN-Überwachung alle sechs Monate Öl im Wert von rund zwei Milliarden US-Dollar zu verkaufen. Das Geld soll für Lebensmittel und Medikamente verwedent werden. Die Pipeline für den Export über die Türkei lief bisher durch teilweise von der KDP und teilweise von der PUK kontrolliertes Gebiet. Seit dem Wochenende haben entlang der Röhre nur noch die KDP und Bagdad das Sagen. Thomas Dreger