Gericht genehmigt Castorlager

Im ersten ordentlichen Verfahren zu Gorleben wurden alle Klagepunkte abgeschmettert – auch wenn sie zutreffend waren  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Dreizehn Jahre haben die drei Kläger gegen das Gorlebener Zwischenlager auf eine erste Gerichtsentscheidung in der Hauptsache warten müssen. Gestern verkündete der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg – im Juristenjargon „Atomsenat“ – erstmals ein Urteil über die „Aufbewahrungsgenehmigung“ für die Castorhalle. Und es ging ganz schnell: In gut fünf Minuten handelte der Senatsvorsitzende Dieter Czajka die Sicherheitsmängel des Lagers und auch die Mängel des Genehmigungsverfahrens ab, die die drei Anwohner im Laufe der Jahre auf nun schon mehreren tausend Seiten dargelegt hatten.

„Der Genehmigungsbescheid leidet nicht an Mängeln, durch welche die Kläger in ihren Rechten verletzt werden“, lautete das Urteil. Die Klage gegen das Bundesamt für Strahlenschutz wurde abgewiesen. Damit dürfen nun in Gorleben bis zum Jahre 2034 weiter Castorbehälter mit hochradioaktivem Müll „aufbewahrt“ werden.

Einer näheren mündlichen Begründung enthielt sich der Senatsvorsitzende gestern weitgehend: Einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften habe der Senat verneint, die Regelungen des Genehmigungsbescheides zum Schutze der Bevölkerung für ausreichend erachtet. Einem Beweisantrag, mit dem die Kläger durch weitere Sachverständigengutachten ihre Einwände in acht Punkten untermauern wollten, gab der Lüneburger Richter nicht statt. Auf die unter Beweis gestellten Tatsachen komme es überwiegend gar nicht an. Auch eine Revision gegen sein Urteil hat der Senat nicht zugelassen.

Immerhin beschäftigten sich auch einige Sätze dieses ersten mündlichen Urteils über die Aufbewahrungsgenehmigung der Castoren mit dem Inhalt der Klage. Diese wendet sich inzwischen schon gegen die zweite Genehmigung für das Lager, die im vergangenen Jahr die Kapazität des Lagers von 1.500 auf 3.800 Tonnen hochradioaktiven Schwermetalls erweiterte. Die Zusammensetzung der Abfälle aus der Wiederaufarbeitung in Frankreich, deren Einlagerung die erweiterte Genehmigung erstmals erlaubt, hielt der Atomsenat für genügend kontrolliert. Die Kontrolle dieser Abfälle entspreche dem Gebot der Schadensvorsorge, auch wenn die deutschen Behörden bei der Wiederaufarbeitung im Ausland keine Aufsichtsbefugnisse ausüben könnten. Selbst ein starkes Erdbeben, daß die Zwischenlagerhalle zusammenbrechen lassen könnte, stellt nach Ansicht die Lüneburger Richter „keine Gefahr für die Umgebungsbevölkerung dar“. In keinem Fall sei bei einem Erdbeben mit einer Beschädigung der Castorbehälter zu rechnen. Daß die neuen Castortypen, die nach der erweiterten Genehmigung ins Lager dürfen, nicht in Fallversuchen auf ihre Belastbarkeit getestet wurden, störte den Atomsenat nicht: Die Experimente mit maßstabsgetreuen Modellen gewährleisteten, so der Richter, daß die Behälter allen Belastungen standhielten.

Der Hamburger Rechtsanwalt Nikolaus Piontek, der seit Jahren die Gorlebenkläger vertritt, wendet sich nun an das Bundesverwaltungsgericht. Er will dort Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegen und so eine Überprüfung dieses ersten Castorlagerurteils durch die nächste Instanz möglich machen.

In der zweitägigen Verhandlung hatte Piontek auch Verstöße gegen Verfahrensvorschriften bei der Erteilung der Erweiterungsgenehmigung gerügt. Diese hätten nach seiner Ansicht zumindest eine Wiederholung des Genehmigungsverfahrens notwendig gemacht: Die Genehmigung erlaubt nämlich eine mehr als viermal höhere Strahlenbelastung der Umgebung, als es zunächst in den öffentlich erörterten Antragsunterlagen vorgesehen war. Deswegen hatten die Kläger zumindest eine erneute öffentliche Erörterung der veränderten Antragsunterlagen verlangt.

Nach der gestrigen OVG-Entscheidung einvernehmlich für erledigt erklärt wird jetzt möglicherweise die nun schon seit 1983 anhängige Klage gegen die alte Gorlebener Aufbewahrungsgenehmigung. Über diese erste Klage hat das Verwaltungsgericht Lüneburg in der Hauptsache bis heute nicht entschieden. Zur Zeit sind nämlich zwei Gnehmigungen für das Zwischenlager in Kraft. Auf die alte Genehmigung, die 1983 die Einlagerung von 1.500 Tonnen Schwermetall erlaubte, will der Betreiber erst verzichten, wenn der Rechtsstreit um die neue, die Erweiterungsgenehmigung, endgültig abgeschlossen ist.