Internationalisten für CSU-Minister

Haushalt des Entwicklungsministeriums schrumpft um 342 Millionen Mark. Entwicklungspolitische Lobby schimpft. Kohl verspricht international mehr Geld und kürzt dann den Haushalt  ■ Von Nicola Liebert

Berlin (taz) – Die regierungsunabhängigen Entwicklungshilfeorganisationen stellen sich vor Entwicklungsminister Carl-Dieter Spranger. Gestern war bekannt geworden, daß der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) 1997 um 1,2 Prozent gekürzt werden soll. Das kommt einer Verminderung um 342 Millionen auf 7,8 Milliarden Mark gleich. Vor allem die finanzielle Zusammenarbeit, also die Vergabe vergünstigter Kredite an Entwicklungsländer, soll zurückgefahren werden. Schon im laufenden Jahr hatte Spranger im Rahmen der Haushaltskonsolidierung 250 Millionen der ursprünglich für 1996 vorgesehenen 8,145 Milliarden Mark einsparen müssen.

Der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (Venro), in dem sich vor 9 Monaten 62 Organisationen zusammengeschlossen haben, und die Organisation Germanwatch protestierten gestern gegen die vom Kabinett geplanten Kürzungen. „Wenn der gesamte entwicklungspolitische Bereich wegzubrechen droht, dann müssen wir als Lobby für die Sache auftreten“, begründet der Germanwatch-Vorsitzende Holger Baum das Eintreten der Nichtstaatlichen für das Spranger-Ministerium. Natürlich gebe es weiter Kritik an der staatlichen Entwicklungspolitik, doch in dieser Situation müßten die Differenzen hintangestellt werden. Allerdings forderte Baum, die Entwicklungspolitik müsse sich viel stärker als bisher an der Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse orientieren.

Die Bundesrepublik entferne sich immer weiter von dem international proklamierten Ziel, 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts für die Entwicklungszusammenarbeit auszugeben, kritisieren die NGOs. Zwar hatte sich selbst Bundeskanzler Kohl noch auf dem UN-Umwelt- und Entwicklungsgipfel 1992 in Rio hinter dieses Ziel gestellt, aber in Wirklichkeit habe sich der Anteil der bundesdeutschen Entwicklungshilfe am Sozialprodukt von einst 0,49 auf inzwischen nur noch knapp über 0,3 Prozent vermindert. „Das ist eine politische Frage, die sich durch Geld ausdrückt“, kommentiert Baum.

Venro und Germanwatch fordern die Bundesregierung auf, „alle Möglichkeiten zu überprüfen, zusätzliche Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit zu mobilisieren“. Sie schlagen dazu ein Refinanzierungsmodell vor: Die Rückzahlungen aus Entwicklungskrediten sollen künftig unmittelbar dem BMZ-Haushalt gutgeschrieben werden. Auf diese Weise könnte ein Entwicklungsfonds in der Art des Marshallplans geschaffen werden. Voraussetzung sei allerdings die Bereitschaft des Bundestags, die Haushaltsordnung zu ändern. Ein weitergehender Vorschlag sieht die Einführung einer internationalen Steuer auf Devisenspekulation vor, wie sie der britische Nobelpreisträger James Tobin gefordert hat.

Mehrere Bundestagsabgeordnete von SPD und Grünen unterstützten den Aufruf. Der bündnisgrüne Entwicklungsexperte Wolfgang Schmitt nannte den Etatentwurf einen Ausdruck entwicklungspolitischen Rückschritts. Selbst der CDU-Abgeordnete Andreas Laschet fand den Koalitionsetat nicht befriedigend. Er kündigte Initiativen an, um eine Aufstockung der Mittel für die nichtstaatlichen Träger zu erreichen, die derzeit ein Zehntel der BMZ- Mittel erhalten. Für die FDP stellt hingegen der Abgeordnete Roland Kohn das Kriterium, 0,7 Prozent des Sozialprodukts für Entwicklungshilfe auszugeben, in Frage. Er schlug die Ausschreibung von Entwicklungsprojekten vor, um damit den „Wettbewerb“ zwischen privaten und staatlichen Trägern zu fördern.