Den Kaisern nähertreten

■ Sonntag ist Tag des offenen Denkmals, an dem in Hamburg unter dem Motto „Monumentmal“ auf gefährdete Denkmäler aufmerksam gemacht werden soll

Das Möbel ist gleichzeitig Bücherregal, Lesesofa und Altarnische für die Prunkurne des 1920 verstorbenen Dichters Richard Dehmel: Auch wo keine Schlösser stehen, findet sich hinter den Fassaden älterer Häuser genug Interessantes.

Wie auf diese Dichtervilla in Blankenese soll der 1991 eingerichtete, europaweite „Tag des offenen Denkmals“ auf verborgene und gefährdete Monumente aufmerksam machen und an die Denkmalpflege als gesamtpolitische Aufgabe erinnern. Am 8. September sind in 1 600 deutschen Städten über 5 500 Kulturdenkmale geöffnet, in Hamburg nur Orte, die sonst nicht zugänglich sind. Eintritt wird nicht erhoben. Vergangenes Jahr fand dieser Tag das Interesse von über 10 000 Hamburgern.

Ganz sicher einmalig und unwiederholbar ist die Möglichkeit, den 700 Kilo schweren, zweieinhalb Meter hohen Bronze-Kaisern der Rathausfassade direkt gegenüberzutreten. Zehn von ihnen, genau die Hälfte, sind zur Zeit in der Metallrestaurierungs-Werkstatt und können aus der Nähe studiert werden.

Einer Anregung von Kultursenatorin Christina Weiss folgend – zugleich Präsidentin des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz – liegt der Schwerpunkt der in Hamburg „Monumentmal“ genannten Veranstaltung auf durch Umnutzung geretteten Gebäuden. Das bezieht sich ebenso auf Ottenser Fabriken oder das Krankenhaus von 1876 am Schlump, die zu Ateliers und Wohnungen wurden, wie auf den zum Kunstwerk mutierten Eppendorfer Röhrenbunker aus dem Zweiten Weltkrieg.

Aber selbst die innerstädtischen Bürohäuser der Zwanziger, außen Backstein, innen Art-deco, wie der Meßberghof, müssen unter Berücksichtigung der alten Substanz heutigen Ansprüchen angepaßt werden. Doch nicht immer findet sich eine angemessene Nutzung: Das alte Ohlsdorfer Krematorium, 1892 im Stil romanischer Bauten Oberitaliens für den „Hamburg-Altonaer Verein für Feuerbestattung“ fertiggestellt, steht seit Jahrzehnten leer. Vor 100 Jahren eine im Reiseführer notierte Sehenswürdigkeit, ist das von 1987 bis 1989 instandgesetzte Gebäude durch Vandalismus stark gefährdet.

Am Sonntag sind 20 der 1 200 in Hamburg unter Denkmalschutz stehende Orte zu besichtigen, insgesamt wird aber das Zehnfache für denkmalwürdig eingeschätzt. Die objektiven Manifestationen der Geschichte sind vielfältig: Wer sich in großbürgerlichen Prunkräumen, wie dem 1881 über drei Stockwerke gebauten Vestibül des Hallerbaus oder einem 1911 barockisierend ausgestatteten Speisesaal der Villa des damals berühmten Inneneinrichters Michahelles nicht wohl fühlt, kann unter Führung alte Parkplanungen nachvollziehen oder in Wedel eine Radtour zu historischen Grenzsteinen machen. Hajo Schiff

Der „Verein der Freunde der Denkmalpflege“ nimmt gerne neue Mitglieder auf. Die „Stiftung Denkmalpflege“ hat ein Spendenkonto: 31 78 67 bei der Hamburgischen Landesbank.