Stolz der Geraden

■ Im Metropolis läuft eine Werkschau Susan Sarandons

Die Luft klebt von altem Öl. „White Palace“ heißt der verwunschene Ort, an dem sich nur noch selten ein Stoßgebet für ein glanzvolleres Leben mit dem Dunst über den Frittentellern vermischt und zur Decke aufsteigt. Nora (Susan Sarandon) arbeitet hier. Die Nöhlereien der Kundschaft pariert sie mit derben Sprüchen. Ihre Wohnung ist ein Müllhaufen. Sie liebt Country-Musik, bei der sie mitgröhlen kann, ohne die Zigarette aus dem Mund nehmen zu müssen, ist siebzehn Jahre älter als ihr Freund, der Yuppie Max, und sieht auch so aus. Max wird sein Seelenheil am Ende in sozialem Mittelmaß und bescheidener Lehrtätigkeit finden und Nora wird endlich mal ihre Küche aufräumen und sich der familialen Reproduktion widmen.

White Palace ist kein Paradefilm in Sarandons Laufbahn, der das Metropolis ab heute eine Werkschau widmet, eher eine verquere Elegie über eine Liebe, die die Klassen miteinander versöhnen soll und gleichzeitig den Kampf der Frauen gegen obsolete Rollenbilder als übertriebenes Gebärden verunglimpft. Aber das Erstaunliche in dem Film sind die Nahen von Susan Sarandon. Ihre hervortretenden Augen unter schweren Lidern, die schon allzu oft mit denen Bette Davis' verglichen wurden, die erschlafften, sinnlichen Züge, die neben Bitterkeit und Melancholie immer auch ein stolzes Trotzdem ausstrahlen. Am schillerndsten ist Sarandon, wenn sie unwirsche lower-class Frauen mimt, die sich so fest vornehmen, nichts mehr vom Leben zu erwarten, und dann doch nicht anders können, als einen Ausbruchsversuch wider das Verschwinden in Staubsaugersurren und Vorgartenpflege zu starten. Und wenn sie uns als Louise in Thelma und Louise wiederbegegnet, wirkt sie, als habe sie eben im White Palace das Spültuch geschmissen und woanders angeheuert, um ihr zweites Leben als Fast-Food-Serviererin noch einmal, von der „wilde side“ zu erfahren.

Louise ist weder schön noch schrill. Sie ist kein Vamp, keine Märtyrerin, keine Mutter. Frauen wie sie haben in der Welt der Kino-Mythen eigentlich keinen Platz. Sie ist einfach da, mit der ganzen Intensität einer großen Schauspielerin. Als Desperada an Geena Davis' Seite läßt sie sich im Thunderbird die Haare vom Fahrtwind hoffnungslos verwuseln und pfeffert den Lippenstift nach kurzem Zögern unbenutzt ins Handschuhfach, weil er ihr nach bewaffnetem Raubüberfall und der Exekution eines Kotzbrockens auch nicht mehr die Harmlosigkeit einer anständigen Vorstädterin aufs Gesicht malen kann. „Lutsch mir doch den Schwanz“ hatte der Vergewaltiger Louise ins Gesicht geschleudert, nachdem sie Thelma aus seiner brutalen Umklammerung retten konnte. Da drückt Louise ab.

Als Schwester Helen Prejean bemüht sich Sarandon in Dead Man Walking, unter der Regie ihres Lebensgefährten Tim Robbins, um eine Amnestie für ein vergleichbares white-trash-Exemplar. Mit einem Herzen größer als alle Einkaufszentren in Louisiana, ungeschminkt und mit billiger Frisur stemmt sie sich gegen die Todesstrafe. Der Mord als staatliche Erziehungsmaßnahme, und das zeigt Robbins' Melodrama trotz aller Gefühligkeit deutlich, ist eine perfektere Angelegenheit als Louises Schnellschuß. Ein Henkersknecht ist für das linke Bein, einer für das rechte zuständig. Zwei Techniker aktivieren den Injektionsapparat per doppelten Knopfdruck, von dem nur einer tatsächlich die Hinrichtung in Gang setzt, damit keiner von beiden zum Schuldigen wird.

Susan Sarandon, die in Washington Literatur und Film studierte hatte als „Damit Janet“ in Rocky–Horror Picture-Show ihr Debüt. Amerikanische Kritiker rühmten sie als „Sexsymbol des denkenden Mannes“, eine Titulierung, auf die sie heute noch ebenso stolz ist, wie auf die CIA-Akte über ihr Engagement in der Anti-Vietnamkriegs-Bewegung. Ende der 70er Jahre arbeitete und lebte sie mit Louis Malle zusammen, unter dessen Regie sie ihren, wie sie selbst meint, schönsten Film drehte – Atlantic City. Malle portraitiert hier eine in die Jahre gekommene Wallfahrtstätte der Gambler und Gauner, deren Outfit nun ebenso ramschig und stumpf geworden ist wie das Gesicht der greisen Gangsterbraut Grace (Kate Reid). Sie ist geblieben, ebenso wie Lou (Burt Lancaster), einst Handlanger des Syndikats. Nur Sally (Susan Sarandon), die tagsüber in einer Austernbar bedient und sich abends den Fischgeruch mit Zitrone vom Körper reibt, will weg. Sie lernt Französisch und verdient sich mit Dealen das Startkapital für ein Karriere als Croupier in Monte Carlo. Lou verläßt mit ihr die Stadt, doch in ihren Traum vom anderen Leben paßt er nicht hinein und am Ende ihrer einzigen gemeinsamen Nacht steht er allein da. Ein Film, der Sarandon internationales Rezensentenlob einbrachte. Heute zählt sie im Hollywood-Olymp zu den wenigen Akteurinnen, die sich mit 48 Jahren hartnäckig auf dem Zelluloid präsent halten und sich nicht auf TV-Serien abonnieren lassen. Dreimal war sie für den Oscar nominiert (Atlantic City, Thelma und Louise, Lorenzos Öl), doch in Empfang nehmen durfte sie ihn erst für ihre Rolle als Schwester Helen in Dead Man Walking, 17 Jahre nach Atlantic City. Birgit Glombitza

5. bis 25. September, Metropolis