World-Spartag

■ Bei der BBC wird privatisiert und gekürzt. Der World Service verkommt dabei zur Übersetzungsagentur

Dublin (taz) — Er gilt als Totengräber der BBC: Generaldirektor John Birt, 52, will den traditionsreichen britischen Staatsfunk in verschiedene Bereiche aufsplitten, von denen Teile dann privatisiert werden sollen. So war am Wochenende durchgesickert, daß die technische Abteilung „BBC Resources“, der die Studios und Schneideräume unterstehen, in ein eigenständiges Unternehmen umgewandelt werden soll. Die Abteilung würde dann zwar weiterhin für die BBC arbeiten, sich aber auch um externe Aufträge bemühen. Und wenn der Laden erst mal läuft, kann man ihn günstig verscherbeln, rechnet Birt, der stets betont hatte, daß die Stärke der BBC in ihrem Programm liege und nicht im technischen Bereich. Der sei allenfalls Mittel zum Zweck — ebenso wie die Angestellten.

Bereits 1987 war John Birt mit dem Versprechen angetreten, die BBC „aus den Klauen der Gewerkschaften zu befreien“ und sie transparenter, kundenfreundlicher und effizienter zu machen. Dafür feuerte er zunächst 5.000 Angestellte und die Reporter erhalten nur noch Verträge, die nicht mehr als sechs Monate gültig sind. Auch bei den TV-Produktionen griff er tief in die thatcheristische Mottenkiste: Seit 1993 müssen die BBC- Produzenten außerhalb der Anstalt Dumpingangebote für den technischen Bereich einholen und ihre eigenen Leute zum Sozialamt schicken.

Ein Großteil der 724 Millionen Pfund, die die Abteilung „Resources“ im vergangenen Jahr erwirtschaftete, stammt von anderen BBC-Abteilungen, die für die Dienste bezahlen müssen, seit Birt seinen umstrittenen „internen BBC-Markt“ eingeführt hat. Wenn man „Resources“ nun verschachern könnte, so Birts Kalkül, würde die BBC künftig eine Menge Geld sparen, weil man nicht in neue Technologien für das digitale Zeitalter investieren müßte. Dann allerdings könnte Birt wohl kaum die drastische Gebührenerhöhung auf hundert Pfund durchsetzen, die er sich gewünscht hat.

Das letzte Wort in Sachen Privatisierung ist freilich noch nicht gesprochen. Zwar soll der Vorschlag noch in diesem Monat vom BBC-Vorstand diskutiert werden, doch am Ende muß auch das Ministerium für kulturelles Erbe zustimmen.

Besiegelt scheint dagegen das Schicksal des berühmten BBC World Service. Obwohl die Zahl der HörerInnen, die den mehr als 50 Jahre alten Sender täglich einschalten, im vergangenen Jahr von 133 auf 140 Millionen gestiegen ist, muß die englischsprachige Nachrichtenabteilung aus dem Bush House, dem Wahrzeichen des World Service, ausziehen. Sie soll dem zentralen Nachrichtenpool der BBC angegliedert werden. Einzig der Fremdsprachendienst, der in 43 Sprachen rund um den Globus sendet, darf vorerst im Bush House bleiben.

Mit der Integration der englischen Nachrichten sowie der Bildungsprogramme in den BBC-Apparat will Birt Kosten sparen, sprich Personal. Dabei sind gerade die internationalen Nachrichten ohne den britischen Blickwinkel die Stärke des World Service, wie die HörerInnen immer wieder bestätigen – darunter Terry Waite, Nelson Mandela, der Dalai Lama, Ben Okri und Michael Gorbatschow. „Wenn man diese Programme aus dem Bush House auslagert“, warnt der ehemalige Geschäftsführer des World Service, John Tusa, „dann wird der Fremdsprachendienst zu einer Übersetzungsagentur für eine abgehobene Programmfabrik.“ Es sei vor allem die Kooperation zwischen der englisch- und den fremdsprachigen Abteilungen gewesen, die das unverwechselbare Image des World Service geprägt habe, sagt Tusa.

Doch die Leute vom World Service wurden gar nicht erst gefragt. „Ich weiß nicht, was schlimmer ist: die Entscheidung selbst oder die Art, wie sie getroffen wurde“, fragt sich die Romanautorin P.D. James, die noch 1993 Birts Haut gerettet hatte. Als viele dessen Rücktritt forderten, nachdem bekannt geworden war, daß er mit Hilfe einer geschickten Firmenkonstruktion jahrelang den Fiskus hereingelegt hatte, setzte sich James, die damals dem BBC-Vorstand angehörte, für ihn ein.

Das bereut sie längst. Heute gehört sie der „Kampagne zur Rettung des World Service“ an, die von 1.500 Angestellten des Senders und mehr als 170 Unterhaus- Abgeordneten getragen wird. Auch der Guardian bezichtigte Birt des „Kulturvandalismus“, erinnerte jedoch auch an die Schuld der Regierung: Denn das Verteidigungsministerium, das den World Service mit 175 Millionen Pfund im Jahr finanziert, hat dem Sender 5,4 Millionen gestrichen. 1997 und 1998 folgen weitere Kürzungen in Höhe von jeweils zehn Millionen.

So schwant nicht nur den Nachrichtenredakteuren Übles: „Ich mache zwar nur ein Programm mit lärmender Musik“, sagt der legendäre Discjockey John Peel, „aber es ist toll, Postkarten von Leuten zu bekommen, die auf irgendeinem Berg in irgendeinem abgelegenen Teil der Welt leben. Wie deprimierend, daß diese Art von Verbundenheit mit den Hörern nun wegrationalisiert wird.“ Ralf Sotscheck