■ Größte Synagoge Europas in Budapest wiedereröffnet: Ein mehr als glanzvolles Zeichen
Weshalb wird die große Synagoge in Budapest in Anwesenheit so vieler Prominenter eingeweiht? Nirgendwo in Mitteleuropa waren die Juden so assimiliert wie in Ungarn nach dem Zweiten Weltkrieg.
Nach der deutschen Besetzung 1944 wurden die 450.000 Juden aus der Provinz – mit Hilfe ihrer ungarischen Landsleute – binnen sechs Wochen deportiert. Der Historiker und Sozialpsychologe István Bibó veröffentlichte nach dem Krieg eine Analyse „Zur Judenfrage/Am Beispiel Ungarns nach 1944“, in der er über „unsere Verantwortung für das Geschehene“ schrieb. Nirgendwo sonst wurde die „Judenfrage“ so selbstkritisch erklärt. Danach wurde das Thema tabuisiert.
So wollten die meisten der ungefähr 80.000 in Budapest lebenden Juden auch nach der Wende nicht daran erinnert werden, daß sie Juden sind. Die Mehrzahl hat mit der Religion ihrer Großeltern wenig am Hut. Und doch interessiert man sich in Budapest seit dem Fall des Eisernen Vorhangs mehr für jüdische Kultur und Tradition. Jüdische Schulen und Bildungseinrichtungen wurden eröffnet.
In der Zeit zwischen 1990 und 1994, als Rechtskonservative regierten, versuchte man die ungarische Geschichte umzuschreiben. In der demokratischen Opposition aber waren die Juden überrepräsentiert. Die konservativen Zeitungen und Magazine begannen die antisemitische Hetze gegen die „Kosmoliberalen“, die sich sogar bis zur Holocaustleugnung verstieg.
In den staatlichen elektronischen Medien wurde diese Tonlage dann noch verschärft. Doch trotz großer Armut breiter Bevölkerungsschichten wurde die rechtsextreme Partei unter der Führung István Csurkas, der frühere Vizepräsident der Regierungspartei MDF, 1994 nicht in das Parlament gewählt.
Ob sich die Synagoge nach der feierlichen Eröffnung mit Betenden füllen wird, kann bezweifelt werden. Trotzdem ist diese glanzvolle Wiedereröffnung ein Symbol für eine jüdische Wiedergeburt in Ungarn und ein Zeichen, daß Massenarbeitslosigkeit und Elend den Antisemiten nicht nützen muß. Karl Pfeifer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen