■ Die EU-Kommission klagt gegen die Bundesregierung
: Peinlich, Herr Kohl!

Schlechte Zeiten für Europas Musterknaben: Schon am Sonntag mußte Theo Waigel verschwurbelt und rechenkünstlerisch zugeben, daß Deutschland die Maastricht-Kriterien nicht erfüllt und somit bei der Währungsunion nicht mit von der Partie sein würde. Peinlich, das. Zeigt es einmal mehr, daß der Finanzminister seine Finanzen nicht unter Kontrolle hat. Noch peinlicher aber wurde es gestern für die gesamte Bundesregierung: Die EU-Kommission will gegen Deutschland klagen, weil Kanzler Kohl seine Statthalter draußen in den Bundesländern nicht unter Kontrolle hat.

Dabei hätte alles so gut sein können. In letzter Minute hatte Kohls Mann für die Wirtschaft, Staatssekretär Johannes Ludewig, die Volkswagen-Vorstände überzeugt: Wir halten 91 Millionen Mark zurück, ihr verhaltet euch ruhig. Angst um ihr Geld sollten sie keine haben; über alles werde geredet, wenn sich die Lage beruhigt hat. Denn ohne Zugeständnisse seitens der Bundesregierung wird der Konzern Kohl & Co. nicht aus der Patsche geholfen haben.

So offenbart sich ein Lehrstück deutscher Politik: Kohls Kabinett hat sich offenbar vollends von den Wirtschaftsbossen abhängig gemacht. Zu ahnen war dies schon immer, wie Beispiele aus der deutschen Außenpolitik (China und die U-Bahn, Argentinien und die Kernkraft, Iran und das Öl) belegen. Doch in dem sächsischen Subventionsfall wurde ein Konzern sogar zum Garanten für die Europapolitik Deutschlands.

Genützt hat das nun alles nichts. Die EU-Kommission ließ sich nicht blenden durch die versuchte Schadensbegrenzung. Denn jetzt müssen die RichterInnen am Europäischen Gerichtshof feststellen, wieviel Steuergelder Bund und Länder noch in welche Unternehmen in Ostdeutschland stecken dürfen.

Es ist zu hoffen, daß das Richterkollegium mit seinem Urteilsspruch der deutschen Subventionswut ein Ende bereitet. Dann versickern nicht mehr ungehemmt die unter Schmerzen der Bevölkerung abgepreßten Steuermillionen in zukunftslose Großkonzerne. Auch stärkere staatliche Kontrolle über die Steuergelder wäre hilfreich. Vor allem in Ostdeutschland: Die Schäden durch staatliche Schlampereien gehen schon jetzt – sechs Jahre nach Kohls Wiederverinigung – in die Milliarden. Ulrike Fokken