■ Mit Tadschikistan auf du und du
: Die Anti-Schweiz

Prešov (taz) – Kaum einem Nachfolgestaat der UdSSR ist es seit 1991 schlechter ergangen als Tadschikistan, einer zentralasiatischen Republik mit 6 Millionen Einwohnern, die in einem Bergland von der dreifachen Größe der Schweiz leben. Schon 1990, am Ende der sowjetischen Zeiten, lag das tadschikische Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt nur bei 39 Prozent des Allunions-Durchschnitts, stürzte aber bis 1993 auf 14 Prozent ab. Zwischen 1990 und Ende 1995 sank das Bruttosozialprodukt des Landes um 60 Prozent.

Das Pro-Kopf-Einkommen in Dollar wurde für 1993 auf 120 US-Dollar, ausgedrückt durch den Wechselkurs, geschätzt; nach Kaufkraft liegt es zwar höher, aber trotzdem ist Tadschikistan auf humanitäre Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen angewiesen. 1991 noch schuldenfrei, stieg die Auslandsverschuldung bis Ende 1995 auf 817 Millionen Dollar, das entspricht 150 Prozent des Bruttosozialprodukts.

Drei Gründe haben maßgeblich zum Niedergang seit der Unabhängigkeit Tadschikistans im September 1991 beigetragen: politische Wirren, Naturkatastrophen und wirtschaftliche Schocks durch die Auflösung der Sowjetunion. Kämpfe zwischen rivalisierenden Clans mündeten 1992 in einen Bürgerkrieg. Ihm fielen bis zum zerbrechlichen Friedensschluß vom Sommer 1994 rund 50.000 Menschen zum Opfer. 15 Prozent der Bevölkerung – auch fast alle ethnisch russischen Fachleute – flüchteten oder wurden vertrieben. Seither ist eine GUS-Friedenstruppe vor allem aus russischen Truppen im Land und an der Grenze zu Afghanistan stationiert. Killerkommandos der Clans oder von Mafiagruppen, die nahezu Nacht für Nacht selbst in der Hauptstadt Duschanbe mißliebige Personen exekutieren, bleiben unbehelligt.

Mehrere Überschwemmungen zerstörten 1992 und 1993 die kriegsgeschädigte Infrastruktur noch weiter. Und die reformunfähige Regierung betrieb eine chaotische Wirtschaftspolitik, die Ende 94 zu einer Hyperinflation von 3.550 Prozent führte. Wegen seiner reichen Wasservorkommen ist die Wirtschaft von der mit Strom aus Wasserkraft betriebenen Aluminiumschmelze und der bewässerungsintensiven Baumwollproduktion geprägt, Nahrungsmittel müssen importiert werden.

Mangel an Düngemitteln und Brennstoffen, Ersatzteilen und Rohstoffen haben zu einem scharfen Rückgang der Produktion geführt, so daß auch die 95er Preisanstiege auf dem Weltmarkt für Aluminium und Baumwolle dem Land kaum genützt haben. Ohnehin bedienen sich die Clans kräftig an den Landesprodukten. Die Eintreibung von Steuern bessert sich nur langsam. Und der im April 1995 neu eingeführte Tadschikische Rubel unterlag am Jahresende bereits wieder einer Teuerung von 300 Prozent. Ein Reformpaket vom Frühjahr dieses Jahres brachte allerdings erste Anzeichen einer wirtschaftlichen Stabilisierung. diba