Radikaler Rausschmiß

■ „radikal“ fehlt im Internet – fast

Im Buchhandel ist sie nicht zu erhalten, in Szeneläden meist vergriffen. Doch um die verbotene Linksaußen-Zeitschrift radikal „dem gesellschaftlichen Abseits zu entziehen“, veröffentlicht die Amsterdamer „Solidariteitsgroep Politieke Gevangenen“ (SPG) das in den Niederlanden legale Polit-Magazin auf ihrer Webseite im Internet. Die SPG will so eine „unzensierte Diskussion zwischen linken Gruppen gewährleisten, ohne dabei vom deutschen Staat gehindert zu werden“. Denn deutsche Behörden haben keinen Einfluß darauf, was auf ausländischen Internet-Servern angeboten wird.

Die Reaktion auf den Versuch, der Zensur ein „Schnippchen zu schlagen“, ließ trotzdem nicht lange auf sich warten: Auf Druck der Karlsruher Bundesanwaltschaft versucht die deutsche Internet-Provider-Lobbyvereinigung ECO – der alle wesentlichen Internet-Anbieter angehören – ihre Mitglieder zu verpflichten, den Kunden-Zugang zu dem Amsterdamer Server zu sperren, über den die radikalen Seiten eingespeist werden. Mit dem Hinweis, sie könnten sich der Beihilfe zur Werbung für eine terroristische Vereinigung schuldig machen, haben die Karlsruher Oberermittler den Providern eine „Selbstdisziplinierung“ verordnet.

Der sanfte Druck aus Karlsruhe zeigt Wirkung: Die meisten Internet-Provider haben den Zugang zu dem niederländischen Server bereits gesperrt. Für rund 200 Personen, die die radikal täglich am Bildschirm aufriefen, wäre damit das linke Lesevergnügen zu Ende.

Doch die SPG-Initiative hat vorgesorgt: Schon vor Monaten speiste sie die radikal auch in einen vernetzten Computer der kalifornischen Universität in San Diego ein. Von hier aus wird die Links-Postille unter http://burn.ucsd.edu/%7Eats/RADIKAL/index im Internet angeboten. Der Datenkrieg zwischen dem linksradikalen Zeitungsprojekt und den Karlsruher Bundesanwälten geht damit in die nächste Runde. Marco Carini