Durchs Dröhnland
: Gegenwart der Gitarre

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

„Starman“ ist sicherlich ein schönes Lied. Aber ob es der alte David Bowie verdient hat, zum Mainstream-Rock umgecovert zu werden? Bei Dan pluckert das recht blutleer daher, daß man fast unterstellen möchte, ihre Sangesausbildung an der Hochschule habe ihr zwar eine gewaltige Stimme beschert, aber im Gegenzug dafür gesorgt, daß ein Stückchen Seele dem Bürokratismus geopfert wurde. Die Berlinerin versucht, das aus der Mode gekommene Klischee von der Rockröhre wiederzubeleben, und das gelingt ihr auch, falls das wirklich jemanden interessieren sollte.

Die Frau kann kreischen, flüstern und natürlich singen. Ihre Band unterlegt das so abgezockt mit Breitwandgitarren, elektronischen Rhythmen und sogar Scratching, daß man einem Crashkurs in programmiertem Erfolg beizuwohnen glaubt. Das war einem großen, einem sehr großen Medienkonzern ein Plattenvertrag wert.

6. 9., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg

Wenn elektrische Gitarren schon keine Zukunft haben, so haben sie doch zumindest eine nette Gegenwart, so zum Beispiel in Form von Jud. Die sind ein Trio aus Virginia, benannten sich nach dem Großvater des Sängers und Gitarristen und sind vielleicht nicht mehr als noch ein großartiges amerikanisches Trio unter Tausenden von großartigen amerikanischen Trios. Aber das reicht. Vor Jahrzehnten begann es einmal mit Mountain, setzte sich nach der Punkexplosion mit Hüsker Dü und später mit Dinosaur Jr. fort und erfuhr zuletzt mit den Presidents of the United States of America einen letzten Höhepunkt: Das Trio, so bestätigt sich immer wieder, scheint die am besten funktionierende Rockproduktionseinheit.

Fraktionen können sich kaum bilden, Reibereien werden reduziert, zum anderen aber ist die Konfrontation, wenn sie denn kommt, direkter. Die Zuständigkeiten sind abgesteckt, und so können auch Jud vordringen zu einfachen und damit wunderschönen Gitarrenriffs, schlichtem und damit ergreifendem Songwriting.

Mit Das zuckende Vakuum, 6. 9., 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Wer ans Punk-Revival denkt, denkt an die fröhlichen Jungs von Green Day, vielleicht noch an die weniger fröhlichen von Rancid, aber ganz bestimmt nicht an Guzzard. Sicherlich kannst du auch im nächsten Hinterhof in den Keller steigen und dort möglicherweise eine Band vom Kaliber des Trios aus Minneapolis finden, aber man sollte sich nicht drauf verlassen. Ihr Abarbeiten an den Grenzen des Hörbaren bewegt sich zwar meist noch in klassischen Punkstrukturen, aber läßt nicht allzuviel davon übrig.

6. 9., 23 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41, Kreuzberg

Die Troopers stilisieren sich gern zu knallharten Straßenkämpfern. Bei ihnen fallen Konzerte nicht wegen Schußlichkeit aus, sondern wegen Verhaftungen. Und „Gewalt“ ist in den einschlägigen Kreuzberger Kneipen inzwischen ein mittelschwerer Hit geworden. „Die Mädchen, das Bier/ All die Schätze, die hol' ich mir“, singen sie, und als Speerspitze der proletarischen Revolution hat man es wohl nicht nötig, musikalisch zu glänzen, also geht der Brachial-Rock mit Männergegrunze wahrscheinlich in Ordnung. Bleibt die Frage, warum sie „Das Leben in Kreuzberg wie Scheiße an der Wand“ finden und immer noch dableiben.

Mit Backfire und Disarray, 7. 9., 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Wenn du unbedingt renitent sein willst, dann werde Rockabilly. Innerhalb der mikroskopischen Szene gibt es zwar erbitterte Grabenkämpfe, aber nach außen tut sich nicht das kleinste bißchen. Musikalische Innovationen stören auch nicht weiter, aber trotzdem gibt es immer wieder nette Bands, die den schmalen Pfad zwischen Psychobilly und Traditionalistentum ausmessen. Für Rusti Steel & the Tin Tax sind die 60er schon fast Postmoderne. Hier dampfen noch echte Güterzüge über Stahlgleise.

10. 9., 21 Uhr, Huxley Junior Cantina, Hasenheide 108–114, Neukölln

Komischerweise haben unsere Freunde von der Easy-Listening-Abteilung Klaus Doldinger noch nicht so recht entdecken wollen. Jeden Sonntag abend wieder überfällt uns der Mann mit der „Tatort“-Titelmelodie, aber das reicht vielleicht nicht, um Kult zu werden. Vielleicht zucken die Bläser des Bundesverdienstkreuzträgers auch nicht einlullend genug, vielleicht ist der inzwischen 60jährige auch einfach prinzipiell zu erfolgreich. Und irgendwie abseitig war er nie. Aber was soll's, wenn er noch heute seinen Stiefel aus den 70er Jahren runterspielt, schließlich hat er dieser Zeitung schon vor Jahren erzählt: „Wo kann wirkliche Innovation nach John Coltrane, Ornette Coleman, Pharao Sanders noch stattfinden?“ Schwere Frage, simpelste Anwort: bestimmt nicht bei Doldinger.

12. 9., 21 Uhr, Tränenpalast, Reichstagsufer 17, Mitte

Es beginnt mit einem zurückhaltenden Bass, einem, der sogar ein wenig groovt, ein wenig freundliches Klimpern nebenher, aber dann legen Aroma Gold los, als wollten sie ihre Verstärker hinrichten. Bewiesen wird so immerhin, daß Grunge auch bis ins niedersächsische Flachland vorgedrungen ist. Aroma Gold mischen das Deutsche gerne mit dem Englischen und erinnern vom Songaufbau, im ständigen Wechsel zwischen Laut und Leise sehr an Samba, die ja auch von irgendwo da im Norden herkommen. Und wie es sich ziemt in der neuen deutschen Rockmusik, ist man gerne lakonisch. „Na, wie geht's mir? Alles klar, keine Frage“, singen sie und meinen es nur bedingt komisch. Irgendwo wartet auch auf diese Jungs schon der Major-Vertrag.

12. 9., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei! Thomas Winkler