Postmoderner Traum Von Thomas Gsella

Steuer- und ozonpolitisch mag es, liebe Leserinnen und Leser, derzeit Brennenderes geben; aber neulich ward ich im Traum von zwei rabenschwarzen, exakt schallplattenförmigen Zehenbeißern angefeindet und in einen Zustand taumelnder Kastrationsangst versetzt.

So jedenfalls machte mich meine reichhaltige Traumerfahrung anfänglich glauben. Immerhin war das an der unteren Bettkante postierte LP-Duo wirklich nachtschwarz und sogar lackschuhhaft gewienert, trug klitzekleine Ärmchen und Beinchen à la Weltspartagpfennig, aber um so größere Mäuler, in denen riesige und extrem scharfe, weiße Raubtierhauer saßen!

Damit schabten und maulten sie an meinen beiden großen Zehen herum. Allein die Art und Weise, wie sie das taten, ließ mich an meinem Kastrationsangsttheorem dann doch schnell irre werden. Denn mein Bammel, Leser, blieb Zitat; das sich aufdrängende Freudsche Tableau „Zwei Zehen zwischen Zähnen = ein Penis in Bedrängnis“ schien mir schon im Traum entschieden Superscheiße, allzu alliterativ und eklig. Zwar konnte ich die zwei Gesellen nicht recht vertreiben; sie schnappten, streckte ich eine Hand aus, sofort sehr haifischartig nach ihr. Aber treffs der in Beschlag genommenen Zehen verharrten die zwei beiden Beißerlangspielplatten mit einer solchen Konsequenz beim präbrutalen Schaben und Kitzeln und rollten derweil so allerherzlichst wonneproppenhaft mit vier großen Lachäugelchen, daß es mir irgendwann zu bunt wurde, ich den Alptraum für gescheitert erklärte, das Traumterrain eigenmächtig wechselte und alsbald in einem zoointegrierten Aquarium mit fünfzehn Robben fröhlich um die Wette schwamm. Hier übrigens war mein Gemächt noch immer vollständig und in Ordnung, so daß ich mir in diesem zweiten Traum noch mal das seltsam Fun- und volles Rohr Blödsinnhafte des ersten in Erinnerung rief.

Bilanzierend möchte ich sagen: Gäbe es eine Punkformation mit Namen „Kastrationsfurcht“, dann wäre ich zwar beileibe nicht ihr Groupie, aber mit diesbezüglichen Ironisierungen und postmodernisch-wurschtegaligem Zeichentäterä kann ich am Ende noch schlechter umgehen!

Ja, es verwirrt mich nachhaltig. Laut Freud eignet Träumen Subversives: In der Nacht streife der Mensch seine Charaktermasken ab und lasse einem Unbewußten Raum, dessen Intensität, dessen relative Unzensiertheit, dessen Grausamkeit die des zensierten Tages spiegele und anklage in einem. So soll es sein – aber, mit Verlaub, so ist es wohl nicht mehr. Denn der schlichte Quatsch hält Einzug. Comicäugige Beißer-LPs, die sich ihre Rolle als gewiefte Angsteinjager ja schon selber nicht mehr abnehmen und... und... wogegen wird denn hier noch protestiert?!

Gegen nix. Sondern unser einstmals hochgelobtes Unterbewußtsein ist heute mit Sat.1 mal Disneyland identisch. Bon.

Etwas weniger bon, daß ich ein umfangreiches Stückchen Text damit verquasselt habe. Dabei wollte ich den Leser doch primär mit zwei Gespenstern der Realwelt vertraut machen. Aber das kann ja noch kommen. Ich meine, hey, viel Platz ist hier ja nicht mehr! Es wird im Gegenteil immer enger.

Und jetzt ist alles voll.