Alles fürs Vaterland!

■ Freisprüche im Prozeß gegen Münch und Schreiber

Es gibt keine gerechtere Strafe für Werner Münch und Werner Schreiber als Freispruch. Der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt und sein damaliger Sozialminister haben nicht betrogen – sie haben nur beschissen. Münch und Schreiber haben bei der Festsetzung ihrer Gehälter niemanden getäuscht, sondern nur offen gefordert, was für die meisten Entwicklungshelfer aus dem Westen im Osten üblich ist: eine Zonenzulage für die Arbeit in unwegsamem Gelände. Und mit einem „Kunstgriff“, so der Staatsanwalt, haben sie sich diesen kleinen Zuschlag von mehreren hunderttausend Mark dann auch selbst genehmigt.

Es geht hier nicht um eine Straftat, sondern um die Haltung zu so einfachen Dingen des Lebens wie Anstand und Gehaltsabrechnungen. Der Freispruch ist gerecht, weil er Münch und Schreiber nicht zu Kriminellen macht. Sie sind Allerweltstypen der deutsch- deutschen Vereinigung. Sie brauchen kein schlechtes Gewissen zu haben und können weiter ihre Überzeugungen leben. „Es ist doch egal“, hat Münch gesagt, „ob ich von meiner Aufwandsentschädigung als Abgeordneter Fachbücher oder einen Brillantring für meine Frau kaufe.“ Oder als Ministerpräsident die Sozialhilfe kürze. Alles kein Problem. Man glaubt dem Arbeitersohn Werner Münch aufs Wort, daß er 1990 nach Sachsen-Anhalt kam, um „beim Wiederaufbau zu helfen“. Münch ein Abzocker? Aber nicht doch. Alles fürs Vaterland!

Fehler gemacht hat er, das gibt er selber zu, aber nur „Flüchtigkeitsfehler“. Wer versteht das nicht? Wir alle haben Flüchtigkeitsfehler gemacht. Aber das Leben muß weitergehen. „Ich habe eigentlich nur noch den Wunsch, wieder ein normales Leben führen zu können“, hat Münch nach dem Prozeß gesagt. Der Wunsch wird ihm erfüllt. Nach dem überstandenen Prozeß geht er zwei Jahre für die Internationale Arbeitsorganisation ILO nach Uruguay. Das Projekt ließ Kohl gegen den ausdrücklichen Rat des Bonner Entwicklungshilfeministeriums und des Bundesrechnungshofs extra für seinen Parteifreund durch die Gremien peitschen. Das Gesamtprojekt kostet Bonn 2,5 Millionen Mark. Nettojahresgehalt für Münch: 180.000 Mark. „Ich habe in meinem Leben noch nie jemanden betrogen“, hat Münch vor Gericht gesagt. Das hat er auch nicht nötig. Jens König