Motiv verzweifelt gesucht

Die „Lübecker Nachrichten“ wollen wissen, warum das Lübecker Flüchtlingsheim im Januar in Brand gesteckt wurde  ■ Von Marco Carini

Kein Verbrechen ohne Motiv. Doch ein solches zu finden, tat sich die Lübecker Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen um den Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim in der Hafenstraße – bei dem am 18. Januar zehn MigrantInnen ums Leben kamen – bislang schwer.

Frühzeitig hatte sie sich darauf festgelegt, daß nur der Libanese Safwan Eid als Brandstifter in Frage käme. Ist schon die Indizienkette, mit der die Staatsanwälte in den am 16. September beginnenden Prozeß gehen, äußerst lückenhaft, so fehlte den Ermittlern bislang jeder Grund, warum der Tatverdächtige seine eigene Unterkunft angezündet haben soll. Nun aber legen die Lübecker Staatsanwälte nach.

Den Lübecker Nachrichten wurde aus Kreisen der Ermittler gesteckt, es gebe einen anonymen Hinweis auf ein mögliches Motiv. Danach wollte die neunköpfige Familie des Verdächtigen schon lange aus dem Flüchtlingsheim ausziehen, erhielt aber nicht die Genehmigung der Ausländerbehörde. Auch die Sozialbehörde habe sich geweigert, die Kosten für eine Wohnung zu übernehmen, die die Familie Eid bereits ausfindig gemacht hatte. Um „endlich aus dem verhaßten Asylbewerberheim herauszukommen“, mutmaßten nun die Lübecker Nachrichten in ihrer Freitagsausgabe, habe Safwan Eid die Unterkunft kurzerhand abgefackelt.

Die Lübecker Staatsanwaltschaft ist mächtig unter Druck geraten, einseitig ermittelt und die Öffentlichkeit ebenso einseitig informiert zu haben. Nun hält sie sich mit der Kommentierung der hausgemachten Belastungsinformationen zurück. Zehn Tage vor Prozeßbeginn wolle er diese Meldung „weder bestätigen noch dementieren“, erklärte Behördensprecher Günter Möller gestern. Um gleich darauf nachzuschieben, daß der Streit zwischen der Familie Eid und den zuständigen Ämtern den Ermittlungsbehörden natürlich „nicht neu“ sei.

Es ist nicht der erste Versuch der Lübecker Ermittler, ein Motiv Safwan Eids für die Brandstiftung zu präsentieren. Unmittelbar nach der Tat ließen sie verlauten, es habe permanenten Streit zwischen den aus Afrika und den aus dem Nahen Osten stammenden HeimbewohnerInnen gegeben. Mißgunst, Haß und Eifersuchtsdramen hätten das Zusammenleben geprägt. Die Hafenstraßen-BewohnerInnen, die es wissen müßten, hatten auf öffentlichen Veranstaltungen jedoch mehrfach das genaue Gegenteil erklärt. Die Atmosphäre unter den MigrantInnen unterschiedlicher Herkunft sei äußerst „harmonisch“ gewesen.

Ein Resultat der gezielten Informationspolitik aus der Marzipanstadt aber ist klar: Nachdem die Medien sich in den vergangenen Wochen auf die vier jungen Männer aus der rechten Szene rund um Grevesmühlen konzentriert hatten, die sich in der Tatnacht in unmittelbarer Nähe des Tatortes aufgehalten hatten, rückt nun – rechtzeitig zum Prozeßbeginn – wieder Safwan Eid ins Fadenkreuz. Für die Lübecker Staatsanwaltschaft eine willkommene Unterstützung ihrer Anklagebemühungen.