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Vulkan-Werftchef Heinz-Jörg Glahr: „Gib niemals auf“

■ In drei Monaten muß ein Käufer für die Vulkan-Werft unterschrieben haben, sagt die Geschäftsführung, sonst ... / Wer aber will schon eine deutsche Werft kaufen? / Über den langen Abschied von dem glanzvollen Kreuzfahrtschiff Costa 2 / Über den langsamen Abschied von der Idee des Werften-Verbundes im Weltkonzern

Heinz-Jörg Glahr ist Mitglied der Geschäftsführung der Bremer Vulkan-Werft, zuständig insbesondere für Marketing. In seinem Büro hängt die schlechte Kopie einer Karikatur an der Wand: „Gib niemals auf“ steht da, und aauf der Zeichnung ist ein Storch zu sehen, in dessen Maul ein Frosch fast verschwunden ist. Aber der Frosch hat mit beiden Vorderbeinen den Hals des Storches fest umkrallt, scheint den Storch beinahe zu erwürgen. Jedenfalls kann der Storch so den Frosch nicht herunterschlingen. Nur: Wenn der Storch den Frosch loslassen würde, müßte der Frosch, wollte er seiner verzweifelten Lage entfliehen, auch den Hals des Storches loslassen – und könnte im nächsten Moment gefressen werden.

Ein Bild, das den Vulkan-Chef in der Misere die erforderliche Gelassenheit geben soll.

Am Donnerstag nachmittag, wenige Stunden bevor die Handelsblatt-Meldung über die mögliche Schließung der Werft verbreitet wurde, saßen zwei taz-Mitarbeiter bei Glahr im Zimmer unter dieser Karikatur und versuchten zu erfragen, was der Stand der Vulkan-Dinge ist. Immer wieder in wichtige Situationen platzen Presse-Meldungen, die das Vertrauen der Geschäftspartner in den Vulkan untergraaben, beklagte sich Glahr. In drei Monaten muß ein neuer Unternehmer für die Vulkan-Werft gefunden sein, sagt Glahr, ein Unternehmen, das auch eigenes Geld mitbringt. Sonst gehen die Lichter aus in Vegesack.

taz: Wer ist denn so verrückt, einen Schiffbaubetrieb in Deutschland zu übernehmen?

Heinz-Jörg Glahr: Wenn Sie die Anstrengungen, die hier unternommen worden sind in den letzten Jahren, analysieren, und wenn Sie dann sagen: Jawohl, die Richtung stimmt, aus diesem Bodensatz können wir uns ein unternehmerisches Konzept vorstellen, das es erlaubt, Schiffbau in einer bestimmten Produktpalette zu betreiben, dann ist das ein Punkt. Das ist hier nicht mehr der Betrieb von vor zwei Jahren. Ein Übernehmer bekommt hier einen Standort, der sich sehen lassen kann. Die Kunden waren immer zufrieden, nur wir nicht, weil wir immer zu teuer waren. Der Übernehmer bekommt einen Kundenstamm, Marineaktivitäten.

Der vorläufige Tarifvertrag mit einer Senkung der Lohnkosten um ca. 20 Prozent für die beiden Container-Schiffe muß also weitergelten.

Wir gehen davon aus, daß wir in diesem Umfang auch weiterhin mit unseren Mitarbeitern reden können.

Uns haben Sie überzeugt, wir haben nur nicht das Kleingeld. Warum haben Sie die Commerzbank nicht überzeugt, die den Betrieb besser kennt als wir?

Die Commerzbank hat mit dem Verbund zusammengearbeitet.

Aber der Commerzbank war diese Perspektiven, die Sie jetzt sehen, im Herbst keinen Kredit mehr wert.

Das Vertrauen der Bank war, naja, angeknackst. Sie können Banker überzeugen durch Taten. Durch das, was wir jetzt tun, können wir die Banker so überzeugen, daß sie mit einem qualifizierten Unternehmen, das mit Kapital reingeht, mitgehen.

Wieviel muß man mitbringen?

Das kommt darauf an, welches Konzept der Übernemer durchführen will. Eine Großwerft mit 1700 Mann? Das glauben wir alle nicht, auch der Betriebsrat nicht. Es wird eine mittlere Größenordnung sein, daraus ergibt sich der Investitionsbedarf.

Eine koreanische Werft könnte sich den Marktzutritt zur EU kaufen...

Im Prinzip wäre das ein Gedanke, ich glaube es aber nicht. Der Weltmarkt ist heute anders. Vor fünf Jahren wäre das realistischer gewesen.

Bleibt Kvaerner als Interessent.

Unter anderem.

Aber jeder Übernehmer wäre doch dumm, wenn er nicht seinen Blick zunächst auf die modernisierten und in der EU bevorzugten Ostwerften richten würde.

Es gibt diverse Interessenten, die Frage ist, wer paßt am besten zum Standort.

Die Conti-Reederei will jetzt verbindlich wissen, zu welchem Termin sie ihre Schiffe garantiert bekommt. Aber keiner weiß, wann Brüssel über die Beihilfen entscheidet.

Conti darf nicht einseitig ins Risiko laufen. Am Samstag werden wir mit Conti zusammensitzen und über eine weitere Absicherung für Conti reden.

Der schrittweise Abschied von der Costa 2

taz: Als die Urlaubszeit begann, war die Lage so: Die Unterweser-Werften kämpften darum, den Zuschlag für die Fertigstellung der Costa II zu bekommen. Es geht um sehr viele Fertigungsstunden für die Werftarbeiter. Und es geht um das Kreuzfahrtschiff-Segment, in das der Vulkan-Verbund gerade wieder eingestiegen war, um nach dem teuren Lehrgeld – Costa 1 – dort Geschäfte machen und Beschäftigung holen zu können. Der Konkursverwalter Wellensiek ist im Juli nach Genua gefahren, um von dem Reeder Costa den Zuschlag zu bekommen und hat enttäuscht berichtet, darüber müsse weiter verhandelt werden.

Ich komme aus dem Urlaub zurück und höre: An der Unterweser soll die Costa II auf keinen Fall zuende gebaut werden, der schwimmfähige Rumpf soll meistbietend verscherbelt werden, möglichst schnell weg damit. Was ist da passiert?

Costa 1 und Costa 2 sind von uns angeboten worden zu einem Preis, der über dem Weltmarktpreis lag, auch etliche Millionen über Meyer-Papenburg. Wir haben den Zuschlag bekommen, weil wir sehr schnell deutlich machen konnten: Der Reeder konnte bei uns das erste Schiff Mitte 96 bekommen konnte, das zweite Mitte 97. Wir waren anderthalb Jahre schneller als die Konkurrenz, das war entscheidend.

Daß wir mit diesem Preis auch nicht ausgekommen sind, ist eine andere Geschichte. Wir haben die Ursachen analysiert: Die lagen bei dem Zulieferer-Markt, die waren home-made, die waren im organisatorisch-technischen Bereich begründet, in der Zusammenarbeit der vier Partner zu suchen.

Die Verluste waren doch auch in Kauf genommen worden als Lehrgeld für den Einstieg in den Markt der Luxus-Kreuzfahrtschiffe...

Alle waren sich im Klaren darüber, daß es ein Risiko gab. Einen besseren Einstieg in einen solchen Markt konnten wir nicht bekommen.

Und Sie haben auch Glück gehabt mit dem Lira-Wechselkurs.

In vielen Bereichen haben wir Glück gehabt, wir haben auch Pech gehabt mit ausländischen Zulieferern. Natürlich steckt da auch Lehrgeld drin.

Costa 2 ist eine Frage der Risiko-Abwägung gewesen. Als Costa 2 zur Diskussion stand, mußte der Konkursverwalter sagen: Wir tragen das Risiko, daß das Schiff zu Ende gebaut wird. Und das Land mußte sagen: Ja, wir besichern das. Und die mußte sagen: Und das klappt auch alles. Das waren Brocken.

Wellensiek hat versucht auszulooten: Unter welchen Umständen kann man den Auftrag an der Unterweser zu Ende führen.

Wann ist klargeworden, daß das nicht geht?

Das ist schrittweise klar geworden. Man hat festgestellt, daß das auch mit den Banken schwierig ist. Und das Land hat gesagt: Wir dürfen das alles gar nicht besichern. So kam heraus: Für uns ist der Brocken im Moment zu groß. Damit war klar: Verkaufen. Und dabei sind wir jetzt.

Und die Franzosen wollen es haben?

Es gibt mehrere Interessenten. Costa möchte das Schiff gerne haben. Aber ob die Umstände für ihn ausreichen, das ist die Frage. Wer einen vernünftigen Preis zahlt, wird das Schiff kaufen können.

Der Vulkan kann den Rumpf frei verkaufen?

Es gehört den Unterweser-Werften, die daran gebaut haben.

Die Elektronik-Tochter des Vulkan-Verbundes, STN Atlas, hatte die Elektronik gekauft, und die steht jetzt verpackt im Lager und drückt die STN-Bilanz.

Das ist bezahlt.

Vollständig bezahlt?

Soweit das aus der Konkursmasse möglich war. Da müssen Sie mal in eine Gläubiger-Versammlung reingehen, wenn die öffentlich ist. Im Moment gibt es da auf jeden Fall keine Probleme.

Ist der Rumpf der Costa 2 schwimmfähig?

Im Juli wurde behauptet: Der Rumpf der Costa 2 ist schwimmfähig. Wenn jetzt jemand den Rumpf kaufen würde, könnten Sie ihn nicht durch die Weltmeere schleppen: Der Rumpf der Costa 2 schwimmt ja gar nicht, wie wir erfahren haben.

Es ist ein Unterschied, ob ich es nach Bremerhaven oder nach Fernost schleppe.

So wie die Costa 2 jetzt da im Dock liegt, könnte sie nicht einmal nach Bremerhaven geschleppt werden...

Nee, aber dafür brauche ich 30 Mann, vier Wochen, um die Arbeitsschächte zuzumachen. Unterschiedliche Kunden haben aber auch unterschiedliche Vorstellungen, wie sie mit dem Schiff umgehen wollen. Der eine möchte alles das, was hier noch an Land neben dem Schiff liegt, drauf haben. Und die Versicherer reden mit. Das alles sieht unterschiedlioch aus je nach Kunde, der das Schiff haben will.

Wenn es auf dem Vulkan weitergehen soll ...

Das Dock muß aber frei werden...

Das Dock brauchen wir für die Container-Schiffe in sechs Wochen. Im Moment sehen wir nur soviele Leute im Betrieb, wie ich wirklich brauche. Für den Costa-2-Rumpf brauche ich derzeit keine. Wenn ich weiß, wie es abgeliefert werden soll, dann kann ich die Schiffbauer und entsprechende Spezialisten holen, wohl wissend, daß ich die dann auch für die Container-Frachter 110 und 111 brauche. Die Phase Bau im Dock fängt ja an, wenn der Große raus aus dem Dock ist.

Das Problem ist der Termindruck, den Sie mit den Containern haben. Conti will die im April haben.

Im Moment wird schon wieder an Costa 2 gearbeitet. Wir nehmen das vorweg, was der Käufer vermutlich sowieso haben will. Wir haben einfach vorsichtig angefangen, weil wir gesehen haben, daß in absehbarer Zeit mit einem Verkauf zu rechnen sein wird.

Wer hat denn jetzt das Risiko für die neuen Container-Frachter übernommen?

Grundsätzlich hat das Risiko der Konkursverwalter.

Hat denn die EU da die Beihilfen genehmigt?

Das ist ja der Punkt. Die EU will erst einmal prüfen, ob das alles EU-konform ist. Wir haben den Fragenkatalog der EU und sind sicher, daß wir die Bedenken der EU vom Tisch bekommen.

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Aber die EU hat doch zusätzlich gesagt, daß sie Probleme mit der Endfinanzierung der Costa 1 hat und die letzten Beihilfen für die Costa 1 nur dann genehmigen will, wenn das sozusagen Sterbehilfen für diese Werft gewesen waren. Das bedeutet: Wenn die Costa 1 das letzte Schiff des Vulkan gewesen war...

Wir sagen ganz einfach: Wir beschäftigen uns mit den beiden Container-Frachtern. Es immer unpäßlich für uns, daß alles in einen Pott gehauen wird. Alles, was der Vulkan-Verbund gemacht hat, wird uns zugerechnet. Aber damit haben wir alles Vulkan-Werft ja nichts zu tun.

Aber die Vulkan-Werft ist Generalunternehmer der Costa 1 gewesen...

Wir waren ein Arbeitsteam, mit den anderen Beteiligten zusammen.

Wer war denn dann Generalunternehmer?

Naja, einer mußte nach vorne gehen...

Eben, und das waren Sie. Juristisch, als Adresse, stand Vegesack oben.

Aber das ist nicht unser Problem. Die Costa 1 Geschichte muß erst einmal auf den Tisch. Man kann daran nicht das Thema der Container anhängen.

Uns ist gesagt worden, daß das Beihilfe-Verfahren für die Container Monate dauert, und solange will der Reeder Conti nicht warten.

Wenn wir die Antworten schlüssig so geben, wie Brüssel sie braucht, kann das schnell gehen. Daß Brüssel sensibler geworden ist, weil das eine Tochter aus dem Vulkan-Verbund ist, hilft uns natürlich nicht gerade.

Für wieviele Vulkanesen wären die beiden Container-Frachter eine Arbeit?

480 Leute haben wir bisher behalten. Wenn das so läuft, wie wir uns das vorstellen, dann haben wir eine sehr große Chance, unsere unternehmerischen Konzepte denen nahezubringen, die uns hier übernehmen sollen.

Wer ist das? Wer will das?

Das sind viele. Namen kann ich hier nicht nennen.

Der langsame Abschied von dem Werftenverbund im Weltkonzern

Im vergangenen Herbst wurde von Wellensiek gesagt: Ganz wichtig ist es, die Zusammenarbeit mit den Ostwerften weiter im Auge zu haben, selbst wenn der Verbund auseinanderfällt. In Bremen wurde hinter vorgehaltener Hand als Rückzugslinie über einen Unterweser-Verbund spekuliert, federführend sollte die Elektronik-Firma STN vorangehen. Dann erfuhren wir, mit STN wird es nichts, inzwischen gucken sich die Unterweser-Werften nicht mehr mit dem Arsch an, arbeiten gegeneinander und glauben, jede für sich könnte durchkommen.

Wir haben uns sehr lange bemüht, eine Unterweser-Verbund-Idee zu fördern, haben aber dabei an den stand-alone-Konzepten gearbeitet. Ein Übernehmer guckt sich erst einmal einen Standort an. Ich habe die Hoffnung aber nicht aufgegen, daß es doch noch so etwas wie eine Zusammenarbeit der Standorte an der Unterweser geben kann. Klar ist aber. Das Management hier und das der Schichau-Seebeck-Werft stellt eigene Konzepte auf.

Und konkurriert gegebenenfalls um dieselben Übernehmer?

Soweit ich sehe, haben wir unterschiedliche Interessenten.

Das macht aber Kooperationschancen zunichte. Kvaerner hat seinen eigenen Verbund.

Es kann ja auch sein, daß die Zulieferer-Industrie uns übernimmt. Da gibt es unterschiedliche Varianten. Das sind aber Spekulationen. Es geht darum, wer als erster in die ernsthaften Verhandlungen hineingeht.

Wie lange haben Sie noch Zeit?

Wir müssen in drei Monaten eine Entscheidung haben.

So schnell? Wegen der bedrohlichen Liquiditätslage?

Nein. Die eine Sache ist die Preisfindung. Kein Kunde wird uns noch einen höheren Preis zahlen, wir müssen Weltmarktpreise ansetzen, was wir bei den Container-Aufträgen 100 und 111 getan haben. Wir haben gesagt, mit den neuen Organisationsformen können wir das Schiff für 70 Millionen produzieren, wenn denn die Probleme nicht wären, die wir aus dem Konkurs haben.

Hennemann hat immer gesagt: Eine einzelne Werft hat keine Chance.

Es gibt keine Probleme, mit anderen Werften zu kooperieren, in jeder Form. Wir haben auch mit HDW in Kiel kooperiert, schon vor dem Vulkan-Verbund. Ich sage nicht, daß das alles zusammen so gut ist wie die ursprüngliche Idee des Vulkan-Verbundes. Aber dafür hätten wir einen Unternehmer, der nur für diesen Standort verantwortlich ist. Das wiegt unter den aktuellen Umständen das andere auf.

Der Vulkan hat früher mit den Schiffsbeteiligungen gearbeitet, das heißt: Mit dem Reeder wurde ein höherer Preis vereinbart und gleichzeitig bezahlte der Vulkan diesen überhöhten Anteil des Preises nachträglich über komplizierte Schiffsfinanzierungs-Modelle.

Ich persönlich befürworte ganz eindeutig, das Schiff so zu kalkulieren, wie es sich gehört, und der Kunde bezahlt diesen Preis.

Aus alten Verträgen haftet der Vulkan doch derzeit noch für diverse Schiffe, wenn deren Auslastung nicht stimmt.

Aber nur unter dem Aspekt des Konkurses.

Das bedeutet: Die Reeder müssen auf diese nachträgliche Finanzierung des überhöhten Kaufpreises verzichten.

Der Konkurs bringt eine neue Rechtsgrundlage mit den Kunden, auf der der Kunde nicht unbedingt hier hereingreifen kann und sagen: Das will ich noch haben.

Die Reeder haben also Pech gehabt

Ja, ...

... und schon deswegen kann diese Werft nicht weiter mit diesem Finanzierungsinstrument arbeiten, weil es verbraucht ist.

Wir müssen uns von diesen Zutaten verabschieden und zu reellen Preisen arbeiten. Ein hehres Ziel, anders werden wir hier keinen Schiffbau mehr haben.

Fragen: Joachim Fahrun,

Klaus Wolschner

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