„Früher war mehr Vielfalt“

■ 15 Jahre Kulturzentrum Schlachthof: Elke Heyduck und Bettina Geile, Mitarbeiterinnen im Schlachthof, über Anspruch und Wirklichkeit des Kulturzentrums, Perspektiven und die Gefahr der Isolierung

Der Schlachthof wird 15. Und zum Geburtstag wird gefeiert. Allerdings in „Bescheidenen Verhältnissen“, wie der Kongreß heißt, den das Kulturtzentrum am Wochenende – unter Mitwirkung vieler Initiativen – veranstaltet (s. tazvom 6.9. und „Kutips zum Wochenende). Was ist aus dem Schlachthof geworden nach 15 Jahren Kultur- und politischer Arbeit? wollte die taz von den festangestellten Schlachthof-Mitarbeiterinnen Elke Heyduck und Bettina Geile wissen.

taz: Ist der Schlachthof seinen Gründeransprüchen gerecht geworden?

Heyduck: Ich war damals nicht dabei, aber das Konzept, einen öffentlichen Platz zu schaffen, der für alle frei zugänglich ist, von den Punks bis zum Beirat Findorff, ist geblieben. Auch wenn sich im Inneren viel verändert hat. Damals kamen viele verschiedene Leute einfach zum Plenum. Jetzt haben wir 12 feste Stellen, auch Technik, Beleuchter, Verwaltung ...

... und seid vor allem mit Interna beschäftigt?

Heyduck: Nein, aber früher war mehr Vielfalt. Zum Beispiel gab es eine Arbeitslosenberatung im Schlachthof, es lief was gegen die Volkszählung, und das Goethetheater spielte bei uns.

Geile: Jetzt kommen zwar auch noch Gruppen von außen, aber die suchen vor allem einen Ort.

Heyduck: Räumlichkeiten suchen sie. Das Antirassimus-Büro (ARAB) möchte die Kesselhalle für eine Veranstaltung und wir stellen die Infrastruktur, während früher die Mitgliedergruppen mehr Inhalte angeboten haben. Aber der Anspruch, offen zu sein, blieb immer bestehen und wir erfüllen ihn auch. Schon der Standort Bürgerweide ist symbolisch. Wir sind eine Seite der Kulturpolitik, und das Kongreßzentrum ist eine andere, die sich eher über Ausgrenzung definiert.

Geile: Du kannst da nicht einfach reingehen und dir mal alles anschauen ...

Heyduck: ... während wir immer auch als zweite Botschaft rüberschicken, daß alle eingeladen sind. Es ist ein öffentlicher Ort. Das siehst du auch an den Preisen. Was woanders 40 Mark kostet, kostet bei uns 20. Wir lassen uns aber nicht von Agenten abziehen, die bei uns eine Schaumparty für 25 DM machen wollen. Anfragen gibt es, und das Geld könnten wir auch gebrauchen, aber da sagen wir „Nö, macht das mal woanders“.

Aber die Geldprobleme haben auch eine andere Seite: Am Schlachthof kannst du dir angucken, wie man mit wenig Geld viel machen kann. Die Eigenintiative und der Zwang zu improvisieren haben uns stark gemacht. Deshalb sind wir auf 15 Jahre Initiative auch stolz.

Wie ist den gewährleistet, daß der Schlachthof sich selbst treu bleibt?

Heyduck: Im Vorstand sind noch Leute von 1981 dabei. Und du entscheidest bei freien Stellen, keine Leute reinzuholen, die diesen Anspruch nicht haben.

Schmort man da nicht im eigenen Saft? Viele halten euch ja für ziemlich abgekapselt.

Heyduck: Wichtig ist schon, daß wir nicht den Kontakt verlieren zu dem, was draußen, etwa bei den Jugendlichen, entsteht. Wir wurden lange nicht gerade überrollt von jugendlichen Besuchern. Mit der Skate-Rampe kommen wieder welche.

Man muß aufpassen, daß es nicht so rüber kommt, als sei das hier etwas Festes und niemand käme rein. Es gibt unsere Schlachthof-Zeitung, die ZETT. Das ist eine völlig offene Redaktion für alle. Den Leuten außen müssen wir immer wieder klar machen, daß man herkommen kann.

Geile: Wir suchen noch immer nach der Genese zwischen den Werkstätten, dem Interdisziplinären. Soziokultur mit Musik, Theater und Videowerkstatt.

Heyduck: Deshalb ja auch jetzt die Versuche wie mit dem Kongreß „Bescheidene Verhältnisse“, nach außen hin Projekte und Gruppen aus anderen Bereichen anzusprechen. Der Geist ist Öffnung.

In letzter Zeit scheint es bei euch wieder politischer zu werden.

Heyduck: Ein Kulturzentrum kann sich nicht raushalten aus den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Der Kontakt zum unteren Drittel ist bei uns ja mehr als anderswo präsent. Man muß das zusammen kommen lassen und nicht sagen 'Politik' oder 'Kultur'.

Doch selbst zu euch gehen die Leute doch vor allem, um Kultur zu konsumieren.

Geile: Das nervt natürlich.

Heyduck: Aber das kannst du aufbrechen, wenn du Zusammenhänge herstellst. Am Tag vor der Wiedervereinigungsfeier in Bremen hatten wir eine Fun-Veranstaltung, Kabarett und so. Da war die ganze Zeit schon knisternde Stimmung, weil die Demo verboten worden war. Als es dann hieß 'Das Sielwallhaus wurde gestürmt', war auf einmal der politische Charakter da ...

Fragen: Lars Reppesgaard