Warten auf den Reisetermin in die Provinz

■ Viel Unsicherheit für Berliner Bundesbeamte, die nach Bonn ziehen sollen

Alle reden vom Umzug der Bundesministerien von Bonn nach Berlin. 1991 wurden aber auch elf Bundesbehörden in Berlin bestimmt, nach Bonn umzuziehen. Seither schauen knapp 4.000 Berliner, die in den Ämtern beschäftigt sind, zusammen mit ihren Familien sorgenvoll in die Zukunft. Nicht nur, daß viele gar nicht aus Berlin heraus wollen. Sie wissen nicht einmal, wann die Reise los geht.

Alle Institute haben seither Umfragen unter den Mitarbeitern durchgeführt, um die Umzugsbereitschaft zu erkunden. Im Bundesversicherungsamt, wo 350 Menschen arbeiten, waren nur 32 Prozent des höheren und nur zehn Prozent des gehobenen Dienstes umzugsbereit. Bei den 500 Angestellten des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen wollen gar 95 Prozent nicht nach Bonn gehen.

Generell gilt, daß die Berliner nur dann umziehen können, wenn die Bonner aus ihren Ministerien rausgehen. Aber, so sagt Thomas Tritscher vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen, es könne ja gar keine konkreten Pläne geben, solange der Bundestag nicht bereit ist, zeitlich feste Beschlüsse zu fassen. Die gleiche Meinung vertritt Helmut Raschka vom Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe. „Ich kenne nur das Gesetz“, sagt er und fügt hinzu: „Der Umzug geht Zug um Zug, wir warten auf den ersten Zug aus Bonn.“ Die Stimmung unter seinen Mitarbeitern bezeichnet er als „zurückhaltend“. Direkt betroffen vom Umzugswillen der Abgeordneten ist das Bundesinstitut für Berufsbildung, wo 200 Personen auf das Startsignal warten. Sie sollen in das Abgeordnetenhochhaus, den „Langen Eugen“, ziehen. Dementsprechend langfristig ist die Vorhersage von Hans-Jürgen Bender, dem Leiter der Zentralabteilung: „Im Jahr 2001 ist der Umzug vollzogen.“

Konkret wird Matthias Schmidt von der Berliner Zweigstelle des Statistischen Bundesamtes. „Wir planen definitiv mit dem 1. Juli 1999.“ Von den 800 Angestellten und Beamten seines Hauses wollen aber nur wenige umziehen. Schmidt: „Es sieht so aus, daß wir für alle, die nicht nach Bonn wollen, einen Ersatzarbeitsplatz in Berlin finden werden.“ So einfach wird das nicht beim Bundeskartellamt, da hier relativ wenig Beamte des mittleren und einfachen Dienstes beschäftigt sind, sondern nur Fachleute im höheren und gehobenen Dienst. Trotz der sogenannten Folgepflicht für Beamte sollen, wie in den anderen Ämtern auch, Lösungen für Härtefälle gefunden werden.

Für die meisten Behörden sind neue Räume in Bonn gefunden, nicht für das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Der Referent für den Umzug Michael Neufang geht dennoch davon aus, daß seine Behörde 1999 umzieht, „weil es das Gesetz so will“, und beschreibt die Stimmung im Haus, wo 500 Menschen vom Umzug betroffen sind, als „den Umständen entsprechend“.

Pikant ist die Situation des Bundesamtes für Strahlenschutz. Erst 1995 wurde in Berlin ein 100 Millionen Mark teures Laborgebäude eröffnet. Der politische Wille, aus Bonn eine Zentrale der Wissenschaft und Forschung zu machen, führte dazu, daß dort nun ein vergleichbarer Bau errichtet werden muß. Dazu Andreas Greulich, Umzugsbeauftragter der Strahlenschützer in Salzgitter: „Man könnte 100 Millionen sparen, wenn man den Umzug sein ließe.“ Dafür gebe es aber keine Chance, „da man sonst einen Präzedenzfall schaffen würde“. Denn die Bundesregierung weiß: Es gibt nur wenige Beamte, die den gegen viele Widerstände beschlossenen Umzug von Berlin nach Bonn und umgekehrt gerne mitmachen. Und so darf keiner aus der Reihe tanzen und wenn es noch so sinnvoll wäre. Joachim Mangler/ADN