Eine Lobby für den Müll

■ Die „Waste Watchers“ sind ein Umweltverband ganz eigener Art

Die ganze Umweltbewegung ist sich sicher, daß Müll vermieden werden muß. Die ganze Umweltbewegung? Nein, eine kleine Gruppe leistet erbittert Widerstand. Gegen Mehrwegverpackungen zum Beispiel kämpfen sie, die „Waste Watchers“. Der Verein tritt nach eigenen Angaben gegen „die Vermeidungsphantasien von einigen Umweltgruppierungen und zweckoptimistischen Politikern“ ein. Die Vermeidungspolitik des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) beispielsweise sei „irrational, auf den Rückschritt der Gesellschaft ausgerichtet und unsozial“. Erst recht polemisieren die Waste Watchers gegen die Vereinheitlichung der Mehrwegverpackungen. In ihrem Umwelt- Nachrichten-Dienst (und) schlußfolgern sie, daß dann alle anderen Verpackungen auf den Müll müßten, und kommentieren: „Für Mehrwegverblendete ist kein Müllberg zu hoch.“

Der Vorwurf im Waste-Watchers-Heftchen gilt wieder einmal der niedersächsischen Umweltministerin Monika Griefahn, die im letzten Sommer eine Kampagne zugunsten von Mehrwegsystemen startete. „Da hatten wir dauernd Ärger mit den Waste Watchers“, erinnert sich Pressesprecherin Eva-Maria Rexing: „Die haben ständig versucht, der Kampagne öffentlichkeitswirksam entgegenzuwirken.“ Bei einer Landespressekonferenz habe sich der Geschäftsführer der Waste Watchers, Manfred Geisler-Hansson, unter die Journalisten gemischt und „ganz massiv gestört“. Sein Benehmen sei „sehr unangenehm“ gewesen, so Griefahn-Sprecherin Rexing, „am Ende ist er rausgeflogen“. Das kennt die Gruppe. Bereits ein Jahr zuvor wurde sie von der Umweltmesse Öko 94 ausgeschlossen.

Selbst habe sich der Verein das Ziel gesteckt, „die Umweltdiskussion in sachliche Bahnen zu lenken“ und dazu „mit den Industrievertretern“ zu kooperieren. Einem Unternehmen stehen die Waste Watchers dabei besonders nah: dem Verpackungsgiganten Tetra Pak. Der hat in Westeuropa bei Einweggetränkeverpackungen einen Marktanteil von etwa 90 Prozent und insofern auch kein Interesse an Müllvermeidung. Außerdem war Waste-Watchers-Geschäftsführer Geisler-Hansson bis Anfang 1992 Pressesprecher bei Tetra Pak. Eine Einflußnahme des Konzerns auf die Waste Watchers wird bestritten. „Das haben schon viele versucht, uns nachzuweisen“, so die barsche Antwort am Telefon. Weitere Auskünfte wollte die selbsternannte Umweltorganisation gegenüber der taz nicht erteilen.

Exponierte Umweltschützer sprechen den Waste Watchers ohnehin ab, ein Umweltschutzverein zu sein. „Nein, natürlich nicht“, weist Eva-Maria Rexing diesen Gedanken weit zurück, „ich kann gar nicht erkennen, daß die sich irgendwo für die Umwelt einsetzen“. Der Verein mache schlichte Interessenpolitik für die Verpackungsindustrie und die Betreiber von Müllverbrennungsanlagen. Es handle sich um „einen Maulwurf im grünen Gewand“, meint auch BUND-Sprecherin Martina Krause, eine „Mogelpackung“: „Wir haben natürlich ein sehr kritisches Verhältnis zu denen.“

Den Waste Watchers „ist es, anders als den Anti-Umweltgruppen in den USA, nie auch nur ansatzweise gelungen, zu einer Bewegung mit sozialer Basis zu werden“, resümiert die Münchner Journalistin Claudia Peter, die sich seit Jahren intensiv mit dem Verein beschäftigt. Zu deutlich sei erkennbar, daß es sich um eine „Tarnorganisation der Industrie“ handele, die das „Umweltbewußtsein der Bürger mißbrauchen“ wolle. In unermüdlicher Kleinarbeit hat sie das Netz personeller und institutioneller Verstrickungen der Waste Watchers mit der Verpackungsindustrie und Abfallwirtschaftsunternehmen aufgezeigt.

Zu den Geschäftspraktiken gehört offensichtlich auch der Versuch, das Ansehen der etablierten Verbände zu schädigen. So beschuldigten die Waste Watchers in ihrem Nachrichtendienst und den Landesgeschäftsführer des BUND Baden-Württemberg der Korruption. Erhard Schulz habe bei der Zulassung der Aussteller für die Öko 94 Schmiergeld kassiert. Prompt mußte der und eine Gegendarstellung drucken. Auch gewann Schulz jetzt seinen Prozeß gegen die Waste Watchers wegen Beleidigung und übler Nachrede. Leonard B. Schilling