Das Jahr eins des Hanfs

Rauscharm, aber reichlich: Am Montag beginnt die erste legale Ernte von Cannabis sativa. Die Verarbeitung der fasrigen Pflanzen ist noch schwierig  ■ Aus Uetz Manuela Römer

Gottfried Zaunmöller steht vor seinen beiden Hanffeldern in Uetz nördlich von Potsdam. Vor den dünnen Gewächsen, die ihn weit überragen, wirkt er fast klein. „Wir sind eben die besten Bauern. Deshalb wächst unser Faserhanf so gut“, sagt Zaunmöller schmunzelnd. Sein weißes Haar pustet ihm der Wind aus dem Gesicht. Hinter ihm schwingen die Hanfstengel mit raschelnden Blättern. Es ist das Jahr eins der Hanfernte. 1982 verbot das Bundesgesundheitsamt den Anbau, erst seit diesem Jahr ist er wieder erlaubt.

Das Brandenburger Land, ein klassisches Hanfanbaugebiet, war in den 50er Jahren in der DDR das bedeutendste. Das flache Land mit moorigem Boden und dem Grundwasser nicht weit unter der Oberfläche bietet günstige Voraussetzungen. Das hat Zaunmöller schon länger erkannt. „Ich wollte nicht mehr nur für die Überproduktion Getreide und Mais anbauen.“ Hanf schien für ihn ein Produkt mit neuen Marktchancen, das zudem ökologisch wertvoll ist. „Aber die da oben muß man zwingen.“

Als Leiter der Agrar-Genossenschaft Uetz-Bornim prozessierte er 1994 beim Berliner Verwaltungsgericht gegen das Anbauverbot. Seit März dieses Jahres ist das Verbot zumindest für rauschmittelarme Sorten, deren Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) unter 0,3 Prozent liegt, vom Tisch. Inzwischen haben schon 568 Bauern Cannabissamen auf ihre Äcker gebracht. Dort stehen jetzt überall fast ausgereifte Hanfstauden.

Vom Acker in Uetz geht ein intensiv herb-würziges Aroma aus. Zaunmöller nimmt die harzig- klebrigen Pollen zur Nase: „Ob das gut riecht, weiß ich nicht.“ Aber daß Hanf so reißfest ist wie keine andere Faser, da ist er sich sicher. Er knickt einen Stengel und versucht ihn mit einem kräftigen Ruck auseinanderzureißen. Keine Chance – der hölzerne Teil der Cannabispflanze bricht zwar, aber die äußeren Fasern geben nicht nach.

„Die ist so zäh, daß man sie mit normalem Mähwerk nicht wegkriegt.“ Das hat er schon ausprobiert. Ein schmaler Streifen seiner zehn Hektar großen Anpflanzung ist schon geerntet. Allerdings mit einem gewöhnlichen Häcksler. Als hätte jemand kleine Pinsel in die Erde gesteckt, so ragen die zehn Zentimeter langen fransigen Stoppeln aus dem Feld.

Wenn es nach Zaunmöller ginge, hätte er alles schon früher mit dem Häcksler geerntet. „Aber ich muß bis nächste Woche warten, bis auch die Samen reif sind, sonst bekomme ich die 15.000 Mark von der EU nicht“, klagt er und winkt ab. Die EU zahlt eine Beihilfe von 1.500 Mark pro Hektar Hanffeld. Dafür schreibt sie in bürokratischer Weise die Erntetechnik vor. Erst wenn die Pflanze reif ist, darf sie auch nur als ganze Pflanze gemäht werden. Danach wird sie auf dem Feld getrocknet und zu Ballen gepreßt.

Für die Genossenschaftler bringt das Probleme. Es fehlen geeignete Mähmaschinen und auch der Lagerplatz für die Hanfballen, so daß Transportkosten zu geeigneten Lagerstätten anfallen würden. Die alternative Häckselmethode zerkleinert den Rohstoff bei der Ernte. Das Häckselgut könnte in Silos gelagert werden, die schon auf dem ehemaligen LPG-Gelände bereit stehen. Hier würde der Hanf in Milchsäure eingelegt, um ihn haltbar zu machen.

Doch nicht nur die Ernte und die Konservierung des Hanfes machen Zaunmöller Sorgen. Schwierig ist auch die erste Verarbeitungsstufe, in der die Faser vom Holzanteil gelöst wird. Bisher steht nur die Hanfschwinge in Sadenbeck in der Prignitz dafür bereit. Eine Naturfaser GmbH in der selben Region in Pritzwalk ist erst im Aufbau.

Um die Verarbeitungsmethoden voranzubringen, wird daher am 12. September in Brandenburg ein Naturfaserverbund gegründet. Das Pilotprojekt soll einen Zeitverlust gegenüber anderen EU- Ländern verhindern. Trotzdem sieht Professor Holger Hanff von der Universität Kiel die Perspektiven für den Öko-Rohstoff düster. Das Ergebnis seiner Marktpotentialstudie, die er im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums durchgeführt hat: „Frühestens in zehn Jahren wird die Verarbeitungstechnologie so weit sein, daß qualitativ hochwertige Produkte aus Hanf hergestellt werden können.“

Der Uetzer Hanfpionier versteht die Politiker nicht: „Von denen kommt niemand und freut sich, daß einer wie ich mal was Neues, Sinnvolles machen will. Die haben wahrscheinlich immer noch Angst, daß hier Mißbrauch getrieben werden könnte.“

Gottfried Zaunmöller deutet auf sein zweites Feld mit einer anderen Hanfsorte. Das immer noch umstrittene Kraut ist hier unregelmäßiger und nicht ganz so hoch gewachsen. „Überall sind Dschungelpfade, und mittendrin gibt es richtige Lagerstätten.“ Sein Feld ist beliebt – vielleicht bei denen, die es nicht glauben können, daß das, was so riecht, trotzdem nicht törnt.