Ein Symbol unter Zwangsverwaltung

Die Treuhandnachfolgerin BvS nimmt das „Haus der Demokratie“ in Berlin unter ihre Fittiche. Das Gebäude wurde 1990 den Bürgerrechtsbewegungen zur Verfügung gestellt  ■ Aus Berlin Severin Weiland

Im Haus Nr. 165 in der Friedrichstraße ist man schlechte Nachrichten mittlerweile gewöhnt. „Ach ja“, sagt der 46jährige Phil Hill im Büro der Vereinigten Linken, „die Gegenseite wechselt ihre Argumente eben wie andere ihr Hemd.“ Anfang dieser Woche ereilte das „Haus der Demokratie“, das im November 1989 vom Runden Tisch der DDR den Bürgerbewegungen zur Verfügung gestellt wurde, die neueste Hiobsbotschaft. Ab sofort, so der Beschluß der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des DDR-Parteivermögens, werde das Gebäude von der Treuhandnachfolgerin BvS verwaltet.

Damit wurde eine neue Runde in dem seit sechs Jahren andauernden Streit um das lukrative Objekt in Berlins Mitte eröffnet. Inmitten der neuen Promeniermeile, zwischen neuen Glas- und Steinbauten, nimmt sich der symbolträchtige Ort wie ein Anachronismus aus. Bunter könnte die Vielfalt nicht sein: Über 40 Basisgruppen und Initiativen haben hier ihre Geschäftsräume oder halten Treffen ab – Bürger- und Menschenrechtler, Grüne, Graue Panther, Umweltschützer sind dabei, sogar einen Arbeitskreis „Amalgam- Gruppe“ verzeichnet die Übersichtstafel im Erdgeschoß. Bislang noch treibt der Verein „Haus der Demokratie“, der auf einen im Mai 1990 abgeschlossenen Nutzungsvertrag mit der SED-Liegenschaftsverwaltung OEB Fundament verweisen kann, die „Nutzungsentgelte“ ein. Nun aber will die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) diese Aufgabe übernehmen und gar marktübliche Mietverträge abschließen. Sollten die Betroffenen ablehnen, droht die BvS gar mit Räumung.

Der Verein verlangt vergleichsweise moderate Beträge von den im Haus residierenden Institutionen – im Höchstfall 32,50 Mark pro Quadratmeter, inklusive Betriebskosten. Für viele in dem Haus ist eine weitere Mieterhöhung angesichts des baulichen Zustands des Gebäudes jedoch ungerechtfertigt.

Der Konflikt um das 1887/88 von der Pschorr-Brauerei errichtete Gebäude könnte widersprüchlicher nicht sein. Während die Unabhängige Kommission davon spricht, es gebe überhaupt keine vertragliche Grundlage, verweisen Verein und Stiftung „Haus der Demokratie“ auf den vor über sechs Jahren abgeschlossenen Vertrag mit der OEB Fundament. Dieser sieht die unbefriste Nutzung als „Büro- und Versammlungsräume für die Tätigkeit von Parteien, politischen und anderen Vereinigungen“ auf der Grundlage des Vereinsstatuts vor. Die Kommission stört sich plötzlich daran, daß zahlreiche Organisationen „keine oder nur lose Verbindungen“ zu den ehemaligen DDR-Bürgerbewegungen haben, die einst ins Haus gezogen sind. Einige Räume seien auch für gewerbliche Zwecke vergeben worden. Die Haltung der Unabhängigen Kommission ist nicht eindeutig. Im selben Atemzug, wie sie die Verwaltung der BvS übertrug, bat sie die Treuhand-Nachfolgerin, jenen Bürgerbewegungen einen Verbleib im Haus zu ermöglichen, die bis zur Volkskammerwahl am 18. März 1990 ins Haus einzogen waren.

Die Duldung, der die BvS entsprechen will, hat allerdings einen Haken: Sie gilt nur bis zur endgültigen Entscheidung über eine mögliche Rückübertragung des Hauses. Denn das Haus mit seinen verwinkelten Gängen will das „Oberschlesische Steinkohlensyndikat“, während der NS-Zeit eine Tochter der Herman-Göring-Werke, zurückhaben. Das in Liquidation befindliche Unternehmen, das heute zum Energieunternehmen Preussag gehört, erwarb das Gebäude 1941, wurde nach dem Krieg aber enteignet.

Die Maßnahme wurde zwar von den Sowjets beschlossen und wäre damit nach dem Einigungsvertrag eigentlich unwiderrufbar – doch der Beschluß über die Enteignung wurde erst nach Ausrufung der DDR im Oktober 1949 im Amtsblatt veröffentlicht. Klarheit soll ein Gutachten bringen, das seit längerem beim Bundesamt für offene Vermögensfragen erstellt wird. Ob dies schon im Herbst vorgestellt wird, wie der Verein hofft, steht noch dahin. Das Haus in der Friedrichstraße gehört zu jenen komplizierten Rechtsfällen nach der sogenannten Liste 3, über die das Bundesverfassungsgericht entscheiden muß, dessen Urteil das Bundesvermögensamt wohl abwarten wird.

Sollte die Entscheidung zugunsten der früheren Kohlebarone ausfallen, wird Phil Hill von der Vereinigten Linken wohl das Brecht-Zitat von der Wand seines Büros abnehmen: „Unsere Niederlagen beweisen ja nichts, als daß wir zu wenige sind, die gegen die Gemeinheit kämpfen.“