Grüne Einigkeit in der Steuerfrage

■ Mit der Steuerreform sollen untere und mittlere Einkommen entlastet werden

Kerstin Müller, die wiedergewählte Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, bezeichnete gestern das Ergebnis der Vorstandswahlen als eine „gute Grundlage für die weitere Zusammenarbeit“. Müller und Joschka Fischer waren am Vortag in ihrem Amt bestätigt worden, wobei Realo Fischer deutliche Stimmeinbußen hinnehmen mußte. „Für Grünen-Verhältnisse“, so Müller, sei dieses Resultat durchaus gut.

Nun waren die Grünen- Verhältnisse in den letzten Wochen keinesfalls gut. Fischer beklagte gestern das „bedauerliche Sommertheater“ bei den Grünen: Die Rhetorik habe nicht der Konfrontation in der Sache entsprochen. Der Fraktionschef spielte damit auf Parteichef Jürgen Trittin an. Der hatte in den letzten Wochen grünen Realpolitikern vorgeworfen, mit ihren wirtschaftspolitischen Vorstellungen auf „den Arsch von Helmut Kohl“ zu zielen und war deshalb von Linken wie Rechten aus der Fraktion scharf gerügt worden.

In der Sache, so betonte Müller gestern, habe man nun zu einer einheitlichen Linie gefunden. Und die lautet in der umstrittenen Steuerpolitik: Die Grünen wollen eine aufkommensneutrale Reform der Einkommensteuer zugunsten der unteren und mittleren und zu Lasten der oberen Einkommen. Einen Stufentarif lehnen sie ab. Wo die Progression beginnt und wo sie endet, konnte noch niemand sagen. Die Experten, so Fischer, würden mit Hochdruck an einem bezifferbaren Vorschlag arbeiten. Eine Entlastung der Spitzensteuer lehnt er jedoch kategorisch ab. Allerdings werden wohl auch die Grünen den Spitzensteuersatz senken. Müller plädierte für eine „Senkung des Steuersatzes unten wie oben, schon deshalb, weil wir die Vermögensteuer beibehalten wollen“. Das steuerfreie Existenzminimum soll darüber hinaus von heute 12.000 Mark für Alleinstehende bzw. 24.000 Mark für Verheiratete auf 14.000 bzw. 28.000 Mark erhöht werden.

Fischer erklärte zudem, daß die Grünen einen „gesellschaftlichen Diskussionsprozeß“ zur Frage der nachhaltigen Wirtschaft anstoßen wollen. Ökologische Politik sei durch die Globalisierung der Krise erheblich unter Druck geraten. Nun gehe es um den Widerspruch zwischen der wachstumskritischen Grundorientierung der Grünen und ihrer wachstumsabhängigen Politik. Dieter Rulff