„Figaros Hochzeit“ im Hamburger Opernhaus

Figaros Hohelied auf die Falschheit der Frauen schwingt sich in der Arie „Freundinnen des Quälens, die betrügen, lügen, Liebe nicht fühlen, Mitleid nicht fühlen...“ hoch zu einem koketten Liebesantrag auf die Weiblichkeit.

Wolfgang Amadeus Mozarts Werk über die Unmoral des adligen Triebwerks öffnet den Blick auf die profansten Seiten des Menschen: Beutetrieb und Bedürfnisbefriedigung.Insofern ist die wiederaufgeführte Inszenierung von Johannes Schaafs Hochzeit des Figaro an der Staatsoper in Hamburg, die am Samstag abend stattfand, modern. Ob sie in der kitschigüppigen Bequemlichkeit, eben barocken Inszenierung noch modern ist, könnte ein Blick auf heutige Zeiten klären.

Nun gut, es wird ordentlich gebalzt und abgewiesen. Der Graf hätte gern das Privileg erneuert, junge Zofen zu beglücken. Der Page wickelt sich Strumpfbänder der Gräfin als Fetisch um den Arm, Figaros Mutter möchte ihren eigenen Sohn zur Beute haben. Wie man sieht, die Grenzen zwischen den Rängen und den Geschlechtern stehen in Frage.

Was entgegnet uns die Inszenierung in Hamburg darauf?

Sie streift mit ihrer pompösen Ausstattung des Rokoko eine Idee von Wollust unter vielen Röcken und Schleifen. Sie überspannt den Bogen der Unmoral allzu offensichtlich, wenn der androgyne Page zur Gräfin ins Bett sinkt. „Man hat für einen Augenblick das Chaos und das Delirium gestreift...“, schreibt Jean Starobinski in Mozart und die Nacht. Besonders, wenn Mozarts Musik zu den Verwicklungen die Kapriolen schlägt.

Das Orchester unter der Leitung von Markus Stenz führte den Abend mit routinierter Leichtigkeit durch die Höhen und Tiefen des Gefühls. Verwunderlich blieb dennoch, daß nicht ein Versuch gemacht wurde, den barocken Hedonismus von heutigen Figuren interpretieren zu lassen. Geilheit, Demütigungen durch Abweisung, Betrug unter Liebenden – nichts Menschliches ist uns fremd. So blieb der Eindruck, daß die Inszenierung doch ein Publikum bedienen sollte, das aus Männern besteht, die gerne mal einen Fummel tragen würden, dann aber doch lieber bei RTL reinschauen, und Frauen, die den Chef schon scharf finden, sich dann aber lieber um die musikalische Früherziehung ihrer Tochter bemühen.

Das bleibt schade. Die Erotik der Arie im dritten Akt, die von Cheryl Studer als Gräfin hervorragend gesungen wurde, möchte man nicht zwingend mit geschlossenen Augen genießen. Und Anton Scharinger als Figaro in seinem aufregenden Lied auf „Die Hexen die verzaubern (den Rest sage ich nicht)“, käme in neuen Beinkleidern sehr gut an. Elsa Freese