...satt haben, daß andere hungern

■ Das Inkota-Netzwerk der entwicklungspolitischen Gruppen aus der DDR ist fünfundzwanzig Jahre alt. Einsparungen der Kirche bringen Gruppen unter Druck

Inkota, was das ist? „Symbol meines Nichtwissens über die unabhängige entwicklungspolitsche Szene vor 1989 in der DDR“, meinte unlängst ein Mitarbeiter von terre des hommes. Martina Menge, ehemaliges Vorstandsmitglied, beschrieb Inkota als „ein Netzwerk ostdeutscher Soligruppen; ein kleiner, aber aktiver Haufen“. Friedrich Heilmann, Vorsitzender des Koordinierungskreises von Inkota, sprach gar von einem „Stück alternativer Ostkultur“, dem die „Verteilung des Spendenkuchens glücklicherweise nicht das wichtigste“ ist.

Inkota, das steht für INformation (in der DDR meist schwer zu beschaffen), KOordination (Unterstützung unabhängiger Initiativen) und TAgung „im Sinne von Begegnung und gegenseitigem Stärken, jenseits des staatlichen Solidaritätsverständnisses“, so Hans-Joachim Döring, bis 1994 Geschäftsführer und heute Chef der Stiftung Nord-Süd-Brücken. Inkota feierte am Wochenende seinen 25. Geburtstag.

„Faktisch unter dem Dach der Kirche in der DDR hervorgetreten“, ist das Netzwerk „noch immer in den Weichteilen der kirchlichen Arbeit angesiedelt“, beschreibt es Willi Volks, der heutige Geschäftsführer. „Ökumenisch teilen lernen“, darum geht es, wenn von „Bewußtseinsarbeit“ als wichtigster Aufgabe im eigenen Land die Rede ist.

Im „Süden“ werden Basisprojekte unterstützt durch die Vereinigung, der heute 17 Vereine und über 150 Einzelmitglieder angehören. Das passiert meist „mit Anschubfinanzierungen, die Eigenstrukturen stärken sollen“. In Mosambik entsteht so eine landwirtschaftliche Kooperative, in Nicaragua können arbeitslose Landarbeiterinnen in einer Kaffeerösterei aus- und weitergebildet werden, im vietnamesischen Vinh wird der Aufbau einer Behindertenschule gefördert.

„Diese Doppelgleisigkeit von Projekt- und Bildungsarbeit mag aus der Sicht von Vereinen, die im Westteil der Stadt oder den alten Bundesländern groß geworden sind, untypisch sein“, weiß Friedrich Heilmann. Für Inkota ist sie Erfahrung aus der jahrelangen Arbeit unter DDR-Bedingungen, die niemand missen möchte und, so der Koordinierungskreis-Chef, heute vor Beliebigkeit bewahren.

Geboren wurde der Inkota-Arbeitskreis 1971 in Halle an der Saale, als sich Mitglieder der Evangelischen und Katholischen Studentengemeinschaft trafen, um eine Tagung zu Entwicklungsfragen vorzubereiten. „Die westeuropäischen Studentenunruhen klangen noch nach“, erinnert Hajo Döring. Durch das Engagement des Inkota-Arbeitskreises gelang es trotz faktisch geschlossener Grenzen, daß unabhängige Basisgruppen selbständige Partnerschaften in Ländern des Südens aufbauen konnten.

Die Gruppen hatten ein gutes Gespür für die Schutzfunktion der Kirchen und gleichzeitig für ihre eigene Unabhängigkeit. „Für manche Aktionen nutzten wir die vorhandenen staatlichen Solistrukturen natürlich schamlos aus“, schmunzelt Willi Volks, „beispielsweise als es darum ging, für 30.000 Mark Gummistiefel zu besorgen, die auch in der DDR knapp waren. Die wurden dann mit Hilfe der FDJ nach Nicaragua transportiert.“ Auch die Kinder-Impfaktion in Tansania, für die 240.000 Mark Spendengelder zusammengekommen waren, ließ sich letztlich nur über das Solidaritätskomitee umsetzen.

Nach der Wende nutzte das Netzwerk die Chance, mit Hilfe zahlreicher ABM eine ungeheure Gründungsarbeit zu leisten. „Später fiel uns dies auf die Füße, als die Maßnahmen ausliefen und wir wieder mit einer bescheidenen Zahl Mitarbeiter auskommen mußten“, so Willi Volks. „Heute sind wir auch finanziell relativ unabhängig von Staat und Kirche, so daß wir davon ausgehen können, uns und unser Motto – es satt zu haben, daß andere hungern – wird es auch in den nächsten Jahren geben.“ Obwohl das Inkota-Netzwerk, so Hajo Döring, heute die „Verunsicherungen der deutschen entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen“ teilt, da die globale Verantwortung der Entwicklungsförderung kaum noch öffentliches Thema ist. Das geht offenbar auch an der Kirche nicht vorbei. Die Synode der Evangelischen Kirchen Berlin und Brandenburg hat angekündigt, die über viele Jahre hinweg für den Entwicklungsdienst im Süden verwendeten 2 Prozent der Kirchensteuereinnahmen auf die Hälfte zu kürzen. „Solche Überlegungen widersprechen unseren Auffassungen vom ökumenischen Teilen, und sie bedeuten einen Verlust an Glaubwürdigkeit“, klagt Inkota- Geschäftsführer Volks.

Der Appell an die Synode, dergleichen nicht zuzulassen, wurde von vielen Geburtstagsgästen unterschrieben. Zustimmung erntete das Netzwerk auch für den Vorschlag, beispielsweise die Gehälter innerkirchlich einzufrieren, dabei die „üble“ (Heilmann) Ost-West- Gehaltsschere der Kirche zu beenden. Schule machen müsse dagegen das Beispiel Berliner und Brandenburger PfarrerInnen, die fünf Prozent ihrer Einkünfte für Nord-Süd-Arbeit zu geben – eine der Finanzquellen für Inkota. Kathi Seefeld