Beifall für „ein bißchen Patriotismus“

■ Populist Diepgen heimst Beifall ein, Bundespräsident wird auf Vertriebenentreffen als „Vaterlandsverräter“ beschimpft

Auf dem gestrigen 47. Tag der Heimat des Bundes der Vertriebenen (BdV) gab es sowohl Worte der Forderung nach Entschädigung als auch des Verzichts Deutschlands auf Gebietsansprüche im Osten. In der mit etwa 3.000 Menschen bis auf den letzten Platz gefüllten Sporthalle in Charlottenburg war für jeden Geschmack etwas dabei.

Während die Vertriebenen ihren Anspruch auf Entschädigung erneuerten und großen Applaus dafür erhielten, kam es während der Rede des Bundespräsidenten zu einem Eklat. Als Roman Herzog die ausstehende Erklärung zur deutsch-tschechischen Versöhnung anmahnte, wurde er von einem Mann im Auditorium als „Vaterlandsverräter“ beschimpft.

Der Bundespräsident unterbrach seine Ansprache kurz und antwortete dann sichtlich erregt: „Das hat mir gerade noch gefehlt. Das habe ich nicht nötig, mir von Ihnen sagen zu lassen. Schämen Sie sich!“

Herzog hatte seine Rede mit den Worten eingeleitet: „Es gab so viele falsche Behauptungen, daß man gar nicht weiß, wo man mit dem Widerlegen anfangen soll.“ Der Vorsitzende des Landesverbandes Thüringen, Paul Latussek, hatte sich darüber beschwert, daß die Bundesrepublik „schon viel Geld für Gedenkstätten ausgegeben“ habe, „aber nicht für die Opfer der Vertreibung“.

Er sei zwar nicht „gegen ein Bekenntnis zur deutschen Schuld“, sagte Latussek, aber es könne nicht angehen, „zig Milliarden für Polen und Tschechen“ zu bezahlen, „aber kein Geld für die Opfer“.

Bundespräsident Herzog hingegen betonte, daß Versöhnung und Verständigung, Vertrauen und gute Nachbarschaft erforderlich seien. Er bekräftigte den Verzicht Deutschlands auf Gebietsansprüche im Osten. Hinterpommern, Ostpreußen und Oberschlesien „sind heute völkerrechtlich unbestritten polnisches beziehungsweise russisches Staatsgebiet“, sagte Herzog. „Sie gehören zu unserem geschichtlichen und kulturellen Erbe, aber nicht mehr zu unserem Staat.“ Es gebe die Chance, bestehende Grenzen niedriger und durchlässiger zu machen.

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), der schon beim Betreten der Sporthalle Standing ovations bekam, zeigte sich als Populist. „Ein bißchen mehr Patriotismus in Deutschland könnte nicht schaden“, meinte er und erhielt dafür tosenden Applaus.

Ebenso viel Applaus bekam er für seine Forderung nach Beibehaltung von „muttersprachlichen Bezeichnungen und Namen“. Das liegt auf der Linie der „Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung“ (OMV) in der Berliner CDU: Die fordert die Umbenennung des Hauptbahnhofs in „Schlesischer Bahnhof“. Barbara Bollwahn