Überall Glaswände

Morgen will ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer den Fernsehdirektor Michael Albrecht ablösen lassen, doch dessen Gegner formieren sich  ■ Von Lutz Meier

Öffentlich-rechtliche Rundfunkhäuser sind komplizierte Gebilde, und manche sagen, daß man sie nicht umsonst Anstalten getauft hat. Es gibt Intrigen und Macht, Proporz und Protektion, es gibt Chefs mit großen Dienstautos und Unterchefs ohne. Wie sollte es anders sein bei einer Einrichtung, die aus Behörde, Demokratie, schönen Künsten und Wirtschaftsunternehmen gemacht ist?

Nur beim Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB), der mit seinen munter verstreuten Flachbauten wie ein Ferienlager aussieht, ist es anders. Wenn es nach Intendant Hansjürgen Rosenbauer geht, steht in Potsdam-Babelsberg alles zum feinsten: Millionenschulden mache der Sender keine, die Atmosphäre sei offen, das Arbeitsklima prima. Und sogar Ost und West geselle sich vergleichsweise gern zueinander.

Tatsächlich wirtschaftet der kleine Sender leidlich sparsam und beschäftigt einige MDR- und SFB- Flüchtlinge, die über das Arbeitsklima voll des Lobes sind. Auch Parteikungeleien halten sich bislang in Grenzen, was sich u.a. daran zeigt, daß SPD-Mitglied Rosenbauer nicht unbedingt der Mann der sozialdemokratischen Landesregierung ist.

Doch anscheinend war die Ruhe im Sender. Der offene, besser: halboffene Zoff entzündete sich an einer Personalie: Am morgigen Dienstag wird der Rundfunkrat des Senders einen neuen Fernsehdirektor wählen – nach Rosenbauers Willen den bisherigen Chef der Kirchenredaktion, Volker von der Heydt. Über den wird weder substantiell Negatives noch viel Positives berichtet, was mit einer gewissen Unscheinbarkeit zu tun haben könnte. Ein Kompromißkandidat, heißt es, der als solcher den bisherigen Fernsehdirektor Michael Albrecht ablösen soll. Das wiederum ist für viele unverständlich, denn daß Albrecht Qualitäten hat, sagt selbst der Intendant. Und eine ganze Reihe von TV-Leuten zeigt sich betrübt über das Ende der Zusammenarbeit.

Andere gingen weiter: So ließen sich bald in Berliner Blättern wie dem Tagesspiegel gänzlich recherchefreie Geschichten über die Causa lesen, denenzufolge ein verdienter Ostler von unverdienten Westlern demontiert wird. Was insofern kurios ist, als auch von der Heydt der Quote Ost Genüge tut. Und selbst der Spiegel zeigte mit einer kryptischen Meldung über Stasi-Connections, daß Gerüchte, die derzeit in Berlin kursieren, auch bis nach Hamburg gelangen.

Albrecht und seiner Lobby fällt es schwer, sich mit der drohenden Demission abzufinden. Aus seiner Zeit als Nachwendechef des DDR- Fernsehens hatte sich der ehemalige Kameramann einen Anspruch (andere sagen Mission) erhalten, der sich mit der Vorstellung von Endlichkeit nur schwer vertrug. Hinzu kommt, daß er vor fünf Jahren bei der Intendantenkür gegen den vom Gründungsintendanten Friedrich von Sell favorisierten Rosenbauer klar unterlag (der ihn dann zum TV-Chef machte). Möglich, daß er die Niederlage als Demütigung empfand, wie im Sender behauptet wird.

Jedenfalls gibt es Anhänger Albrechts, die auf die Neubesetzungspläne so reagierten, daß die Charakterisierung „Kampagne“ naheliegt. „Rosenbauer muß weg“, heißt das unterderhand geäußerte Ziel, für das munter schmutzige Wäsche gewaschen wird. Bedenklich ist, daß man zur Beschädigung des ausgemachten Teufels nicht einmal den Gang zum Beelzebub, sprich zur Berliner CDU scheut, in der ausgewiesene Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sitzen.

Doch auch von manchem Anhänger wird dem Intendanten ein unglücklicher Umgang mit dem seit langem schwelenden Konflikt bescheinigt. Der gibt einen „manchmal dezidierten Führungsstil“ durchaus zu, sagt aber auch: „Ich bin in der Lage, mich zu entschuldigen.“ Beides wird er nach Lage der Dinge brauchen können.

Denn auf einmal brechen an allen denkbaren Linien Konflikte auf, die sich nicht in das feine Bild des Senders fügen. Daß im Fernsehbereich einzelne Westführungskräfte offen isoliert werden und das der eine oder andere alte Freundeskreis aus Wendezeiten munter für die eigenen Interessen tätig ist, sind keine Geheimnisse mehr. Mindestens scheint es in Rosenbauers Fernsehen Probleme mit Kompetenzen und Kommunikation zu geben. Und fest steht auch, daß die Quoten fürs ORB-TV, vorsichtig gesprochen, nicht mehr sehr gut sind.

Was wird nun morgen im Rundfunkrat passieren? Zwar haben die ORB-Gremien in den vergangenen Monaten ungewohnte Widerspenstigkeit an den Tag gelegt: Früh signalisierten die Räte, einen Westler werde man nicht akzeptieren. Auch fand Rosenbauer vergangene Woche im Programmausschuß keine Mehrheit für seine Pläne einer Reform im TV. Jedoch von Aufstandsplänen gegen den Intendanten, wie sie MDR-Chef Reiter von seinem Gremium zu spüren bekam, ist bei den ORB- Räten wenig zu hören. Der Intendant gilt als Taktierer, als „harter Knochen“, wie einer sagt.

Dabei hat Rosenbauer wenig Zeit, den jungen Sender zur Ruhe zu bringen. Bei seinem Bestreben, die Fusion mit dem SFB in einer Art freundlichen Umarmung des Partners zu lösen, sehen offene Risse im Sender nicht gut aus. Zwischen der Intendanz und dem Haus, sagt ein Mitarbeiter, stünden „überall Glaswände“. Zusammen mit der Verunsicherung, die sich durch die abwicklungsgeübten Mitarbeiterreihen zieht, ließe sich so auch ein Hebel für jene Kreise in der Politik schmieden, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Hauptstadtregion kleinhalten wollen. Eben hat der Senderchef Gegendarstellungen abgefaßt. Unter anderem bestreitet er, daß das Intendantenauto über ein Navigationssystem verfügt. Wenn das mal kein Omen ist.