Hölzerne Drohgebärden

■ DGB-Demos: Nicht fit für die kommenden Proteste

Die Gewerkschaften hatten gerufen – und die kleinen Leute kamen. Was sie verlesen bekamen, waren nur hölzerne Drohgebärden. Dafür klatschten sie Beifall. Aber sie warteten auf etwas, das nicht kam. Doch erst einmal waren sie da. So viele wie seit langem nicht mehr: Sie wollten sich auch zeigen.

Da hatte jede und jeder sein Haushaltsbuch dabei, und das schafft eine ganz andere Stimmung als bei der normalen gewerkschaftlichen Tarifschau. Es waren die vielen kleinen Empörungen, die sich sammelten. Sie konnten sich allerdings nicht zu einem gemeinsamen Ausdruck zusammenfinden. Das ließ die Entfernung zur steinernen Gewerkschaftssprache der Leute auf den Tribünen um so deutlicher spüren.

Die Redner auf den Tribünen konnten mehr als die Regierung und die Arbeitgeberfunktionäre nicht ins Visier nehmen. Deren kühle Machtdemonstration machte es ihnen allzu leicht. An der Methode, mit der sich tags darauf die Gewerkschaften abfertigen lassen mußten, zeigte sich im Nachhinein die Hilflosigkeit ihrer Samstagsreden.

Die Riesters und Zwickels und Engelen-Kefers waren nicht imstande, den kleinen Leuten zu sagen, daß der Sozialstaat nicht einfach das Netz der Solidarität ist, auf das man vertrauen darf. Sondern daß das klug gestrickte Netz sich zusammenschnüren läßt, um neuen Lebenssaft für den matt gewordenen Markt herauszupressen. Und das geht dem Staat leichter von der Hand als etwa die Umverteilung über die Steuern. Alle Leute, auch die kleinen, ahnen, daß der Staat nunmehr für Ungleichheit sorgen will, damit das globalisierte Kapital auch in Deutschland neue Luft schöpfen kann.

Wenn es denn den heißen Herbst – wofür die Proteste am Samstag kein überzeugendes Versprechen abgaben – geben sollte, werden hinterher die Gewerkschaften anders aussehen müssen. In Frankreich hat sich im vergangenen Winter gezeigt, wie sich selbst organisierende ArbeitnehmerInnen den Gewerkschaften Dampf machen können.

Dort hört sich die Gewerkschaftssprache schon anders an als vor Jahresfrist. Daß die deutschen Gewerkschaften in einem Jahr anders auftreten werden als heute, weil sie nämlich mit der Empörung umgehen können, dafür haben die Proteste nur schwache Hoffnungen aufkeimen lassen. Claus Koch

Der Autor ist Publizist in Berlin