Angst hat noch keinem geschadet

Abschiebung nach Bosnien: Dubiose Fragebögen und keine Gnade  ■ Von Silke Mertins

Der zerstörte Heimatort, binationale Ehe, ethnische Probleme oder die Einberufung zum Militärdienst – all das ist nach den Richtlinien der Hamburger Ausländerbehörde kein Grund, die Abschiebung nach Bosnien auszusetzen. In bürokratischer Verbalbrutalität sind auf den Formblättern die Umstände aufgeführt, die eine Abschiebung nicht verhindern können. „Es besteht kein Anspruch auf eine Rücckehr in Ihren Heimatort“, belehrt das behördliche Beiblatt zur Verfügung. „Es wird davon ausgegangen, daß es in Bosnien-Herzegowina Gebiete gibt, in denen Sie ohne die Angst vor Menschenrechtsverletzungen leben können.“

Davon war auch der moslemische Bosnier J. ausgegangen, als er im März zu einer Orientierungsreise von Hamburg nach Mostar aufbrach. In der Nähe seiner ehemaligen Wohnung im Westen der geteilten Stadt wurde der Sozialpädagoge von Soldaten aufgegriffen, acht Tage lang festgehalten, verhört und geschlagen. Wenn sie ihn noch einmal erwischten, würde man ihn erschießen, drohten die Soldaten, als sie ihn schließlich wieder freiließen. Im August gelang es J., zurück zu seiner Familie nach Hamburg zu flüchten.

Ein bedauerlicher Einzelfall? Die UN-Flüchtlingsorganisation – UNHCR – warnt vor voreiligen Rückkehrbeschlüssen. Denn schon mit der gegenwärtigen Masse an Flüchtlingen werden die bosnischen Behörden mangels Obdach, Arbeit, intakter Schulen und Krankenhäuser kaum fertig. Hamburgs Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) setzt jedoch auch nach seiner fünftägigen Informationsreise in die Trümmerlandschaft Ex-Jugoslawiens auf schnelle Abschiebung, theoretisch zum 1. Oktober. Es sei nur zum besten der Flüchtlinge.

Heute abend wird er sich auf einer Podiumsdiskussion seinen Kritikern stellen. „Wird Hamburg weiterhin restriktiv Druck auf die Flüchtlinge ausüben?“ fragen ÖTV, Arbeiterwohlfahrt und der Arbeitskreis Asyl. Und: Wird Wrocklage beginnen, einen Teil der in der Hansestadt lebenden 12.000 Flüchtlinge während der Wintermonate zurückschicken?

Die GAL bringt am Donnerstag einen Antrag in die Bürgerschaft ein, die Abschiebungen auch formal bis zum kommenden Frühjahr auszusetzen. Doch das hat der Innensenator bereits ausgeschlossen, obwohl Abschiebungen vor April 1997 unwahrscheinlich sind. Ein bißchen Angst und Schrecken hat noch niemanden geschadet.

„Rückkehr – Rückführung – Abschiebung“ – eine Podiumsdiskussion mit Innensenator Hartmuth Wrocklage, Ulrich Zuper (AWO), Zeljko Cunovic (Frankfurter Arbeitskreis Trauma und Asyl) und Hartmut Jacobi (Arbeitskreis Asyl), 17 Uhr, Gewerkschaftshaus