„Weltstadt des Tanzes“?

■ Soeben erschienen: „Tanz Zukunft Bremen“, eine Doku-mentation der freien Szene im Vorfeld des „8. Tanzherbsts“

Bremen tanzt. Vom 1.-10. November steht die Stadt wieder im Zeichen des „Tanzherbstes“, des achten bereits. Angefangen hatten die freien Gruppen 1988 mit einem behördlichem Zuschuß von 2.000 Mark; mittlerweile erfreut sich die „Gesellschaft Tanz Bremen“ als Veranstalter an Mitteln aus dem Wirtschaftspolitischen Aktionsprogramm (WAP) in Höhe von 100.000 Mark – mehr als das Doppelte vom vergangenen Jahr. Doch damit nicht genug: „Tanz Zukunft Bremen“ heißt eine Dokumentation, die gestern auf einer Pressekonferenz vorgestellt wurde. „Weltstadt des zeitgenössischen Tanzes“ möchte man werden und beruft sich auf Namen wie Hans Kresnik, Reinhild Hoffmann und Susanne Linke.

Ein „Fördermodell im Baukastensystem“, illustriert im schönsten Zeitgeist-Layout, soll nach fünf Jahren der freien Szene zu Ruhm und Ehre verholfen haben. „Kontinuität“ und „temporärer Input“ sind die tragenden Säulen. Im Klartext: Man braucht mehr Trainingsmöglichkeiten, Proberäume und Spielstätten, Projektgelder, Gastspiele, Werkstätten, Öffentlichkeitsarbeit, eine Lobby, Künstler „in residence“ und schließlich ein Tanzhaus mit Tanzbeauftragtem. So weit die Utopie, formuliert von Susanne Schlicher, Kulturforscherin an der Uni Bremen und Herausgeberin von „Tanz Zukunft Bremen“.

Realiter fangen die Schwierigkeiten schon an, wenn es darum geht, daß die freien Gruppen mal auf die Probebühne des Bremer Theaters wollen. Nur über informelle Wege laufe das, nämlich, wenn Gitta Barthel, Tänzerin am Bremer Theater, mal den Kontakt herstelle. Schwerfällige Institution, moniert „Tanzherbst“-Mitarbeiter Matthias Früh an die Adresse des Theaters. „Das Theater hat selbst Kapazitätsengpässe“, kontert Ursula Siefken-Schulte, Referatsleiterin für Theater beim Bildungssenator, das habe nichts mit der Institution zu tun.

Gleichviel. Einig ist man sich, nicht nur einmal im Jahr ein tänzerisches Feuerwerk namens „Tanzherbst“ abzubrennen, sondern die Stellung des Tanzes in Bremen ganzjährig und „städtetouristisch zu nutzen“. Zum Beispiel, indem man neue Publikumsschichten anspricht oder Tanzprojekte mit Schulen veranstaltet.

„Tanz Zukunft Bremen“ ist „eine Dokumentation mit Absicht auf Wirkungen für weitere Planungen im kommunalen Kulturfeld ,Tanz'“, formuliert Narciss Göbbel, Kulturplaner beim Bildungssenator, in einem Beitrag im Heft. Und Ursula Siefken-Schulte ergänzt mit einer Pirouette: „Die Erreichbarkeit des wünschbaren Ziels einer auch überregional beachtenswerten Tanzkultur auf höchstem Niveau setzt behördlicherseits einen Planungsprozeß voraus, der sich auf Bedarf, Effizienz, Wirtschaftlichkeitsaspekte und eventuell eine Abstimmung mit anderen Bundesländern stützt.“ Der Dokumentation: Glück auf den Weg!

Alexander Musik

Erhältlich bei Gesellschaft Tanz Bremen, Bauernstr. 1, 28203 Bremen (5 Mark)