■ Vorschlag
: Entrückt-schöne Melodien: The Creams im Roten Salon

Es paßt ganz gut zu Alan Jenkins, daß er ausgerechnet zu einer Zeit auf Konzertreise geht, in der es recht schwierig ist, die Leute für Indie-Musik, Low-Fi-Pop oder something like that zu begeistern. Für Antizyklismus und ein (eher erstaunt-unfreiwilliges) Stehen am Rande der Popgeschichte ist der Engländer schon seit 1979 prädestiniert, als er mit einer Band namens Deep Freeze ein erstes Album mit dem eigentümlichen Titel „My Geraniums are Bulletproofs“ veröffentlichte. Wobei „veröffentlichen“ sich hier wirklich wie ein purer Euphemismus liest: Was Jenkins in Folge mit Bands wie Deep Freeze Mice, Chrysanthemus, Ruth' Refrigator und The Creams (so die aktuelle Band) an Platten, Singles, Kassetten etc. in Mini-Auflagen herausbrachte, fand maximal Eingang in die Zimmer von ein paar wenigen, gleichdenkenden Verrückten. Seine Veröffentlichungen sind mal recht seltsame Konzeptalben (eine „Rockoper“ zum Beispiel), mal Alben, die weder Strategie noch Ausgedachtheit kennen: Beliebig wird dann hin und her geirrt im Dschungel von Psychedelia und Pop, von Geräusch und Song im No-man's-land von Soft Machine, Frank Zappa, Syd Barrett und Captain Beefheart.

Andererseits besitzen viele dieser Songs dermaßen entrückt- schöne Melodien, daß einem schon mal schlecht werden kann vor lauter Glücksgefühlen. Klein, aber fein und vor allem mein: Schwer zu benennen, oft gleichbedeutend mit hingebungsvoller Lust an Schwermut und Melancholie, sind das Gefühle, die man verloren glaubte und die plötzlich, beim Hören dieser Songs, zahlreich wiedergefunden werden können. Unbeschwertheiten der Kindheit und Jugend revisited, wenn man so will. Müßte doch ein paar Menschen mehr so gehen, denkt man immer, um sich dann selbst lieber mit zwei Stunden stylish-Musikfernsehen zu vergnügen. Trotzdem der Ratschlag: Den Auftritt von The Creams auf keinen Fall versäumen. Selten genug passiert es, daß Jenkins und Freunde auf dem Kontinent auftauchen. Gerrit Bartels

Ab 22 Uhr im Roten Salon, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz