Weitere Aufklärung gefordert

■ Bündnisgrüne bezeichnen Schönbohm-Bericht in der "Lumpenaffäre" als "sehr flach". Bericht sieht keine fremdenfeindliche Motivation gegenüber den Rumänen

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen fordert eine umfassendere Aufklärung im Polizeiskandal um die inhaftierten RumänInnen, die von 1990 bis 1994 ausrangierte Trainingsanzüge ohne Reißverschlüsse tragen mußten. In der gestrigen Sitzung des Innenausschusses erklärte der innenpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Wolfgang Wieland, der von Senator Jörg Schönbohm (CDU) unterzeichnete Bericht an das Abgeordnetenhaus über die Vorkommnisse sei „sehr flach“.

Es sei in dem Bericht nicht deutlich geworden, welche Polizeibeamten die Idee hatten, und welche Motivation dahinter gestanden hätte, zerlumpte Trainingsanzüge als Kleidungsstücke an die Abschiebehäftlinge zu verteilen. Wieland forderte deshalb personelle Konsequenzen auf der mittleren Führungsebene der Polizei. Auch die PDS-Abgeordnete Marion Seelig monierte, daß die sogenannte Lumpenaffäre „nicht wirklich“ aufgeklärt sei.

In Schönbohms Bericht heißt es lediglich, daß „die besondere Situation nach der Öffnung der Grenzen in Osteuropa und die bisher unbekannte Tendenz zu Selbstverletzungen bei rumänischen Tatverdächtigen“ zu dieser Einkleidepraxis geführt hätten. Und: „Eine fremdenfeindliche Motivation hat zu keiner Zeit zugrunde gelegen.“ Der als Redner im Innenausschuß geladene pensionierte Polizeioberkommissar Wolfram Polewczinski, der die Affäre im April 1996 öffentlich gemacht hatte, sagte dagegen, er habe in seiner langjährigen Tätigkeit keinerlei Selbstverletzungen von Abschiebehäftlingen mit Reißverschlüssen erlebt. Er bezeichnete die Praxis im Abschiebegewahrsam als „Sadismus“ und „rassistisch“.

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz, konnte das Verhalten der Polizisten nur damit erklären, daß „Menschen im allgemeinen nicht sehr nett“ seien und die Tendenz hätten, Outsider schlecht zu behandeln. Er räumte ein, daß auf der mittleren Führungsebene teilweise „zuwenig Professionalität und Souveränität“ vorhanden sei. Dieter Hapel (CDU) sprach von „bedauerlichen Einzelfällen“.

Nicht geklärt werden konnte im Innenausschuß, warum 1991 bereits ein Amtsrichter auf die zerlumpte Bekleidung der Häftlinge aufmerksam machte, daraufhin Polizeivizepräsident Dieter Schenk anordnete, die Häftlinge vernünftig zu bekleiden, die Anweisung aber bei den zuständigen Stellen nur ganz vereinzelt umgesetzt wurde. Julia Naumann