Irakische Kurden fliehen in den Iran

■ Die PUK-Hochburg Sulaymaniya wird belagert. Doch von wem eigentlich? Die PUK sagt: von der irakischen Armee. Die irakische Führung in Bagdad behauptet: von der mit der PUK rivalisierenden KDP

Sulaymaniya / Hannover / Ankara (rtr/dpa) – Die irakisch-kurdische Stadt Sulaymaniya stand gestern vor dem Fall. Hannes Kempmann, Sprecher des in der Region aktiven Vereins für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe (VEH) in Oldenburg, berichtete, die Einwohner der Hochburg der „Patriotischen Union Kurdistans“ (PUK) seien auf der Flucht: „Die gesamte Stadt flüchtet in den Iran.“ Gestern morgen war die PUK bereits aus den Orten Degala und Koysanjak vertrieben worden. Letzteres ist der Geburtsort von PUK-Chef Dschalal Talabani.

UN-Vertreter in der Region berichteten gestern, Mitglieder der PUK hätten mit dem Abzug aus Sulaymaniya begonnen. Vermutlich seien sie ebenfalls auf dem Weg in den Iran.

Unklar ist derweil, wer Sulaymaniya eigentlich attackiert. Die mit der PUK rivalisierende Demokratische Partei Kurdistans (KDP) behauptet, ihre Einheiten, würden allein gegen die PUK kämpfen. Die PUK erklärt dagegen, die KDPler würden massiv von irakischen Truppen unterstützt, die mit schweren Waffen ausgerüstet seien. Die irakische Führung bestreitet jegliche Verwicklung in die Kämpfe. Aus dem Informationsministerium in Bagdad hieß es: „Wir betonen erneut, daß sich unsere Truppen bereits vollständig auf ihre früheren Positionen zurückgezogen haben.“ Auch Frankreichs Außenminister Hervé de Charette erklärte am Sonntag, nach seinen Informationen seien die letzten irakischen Truppen aus dem Kurdengebiet abgezogen.

US-Verteidigungsminister William Perry sagte dagegen, die irakischen Truppen „sind immer noch in der Nähe und immer noch gefährlich“. Ein Eingreifen der USA in den Konflikt lehnte er jedoch ab: „Wir sollten uns nicht in einen Bürgerkrieg im Norden hineinziehen lassen. Statt dessen sollten wir unsere Aufmerksamkeit dahin richten, wo unsere Interessen liegen.“Generalstabschef John Shalikashvili drohte Saddam Hussein mit neuen Angriffen, falls die bei den jüngsten US-Angriffen im Süden Iraks zerstörten Militäranlagen wieder instand gesetzt würden. „Wir haben Saddam Hussein gewarnt, daß jeder Versuch, diese Einrichtungen instand zu setzen oder zu verstärken, von uns sehr ernst genommen wird“, sagte Shalikashvili.

Unterdessen lehnt die irakische lehnt die von der Türkei geplante „Sicherheitszone“ im Norden Iraks zur Abwehr von türkisch- kurdischen Rebellen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ab. Der irakische Botschafter in Ankara, Rafi Dahham Madschwal al-Takriti, sagte gestern, möglich sei „eine Kooperation auf der Basis des gegenseitigen Verständnisses, ohne den Einmarsch von fremden Soldaten in den Irak“.

Angesichts der neuen Irak- Krise sprach sich Ägyptens Präsident Husni Mubarak gestern nachdrücklich für die territoriale Einheit des Landes aus. Jede Teilung oder die widerrechtliche Aneignung von Gebieten würde einen gefährlichen Präzedenzfall in der bereits instabilen Nahostregion schaffen, sagte er gestern. Alle Bemühungen zum Abbau von Spannungen würden mit solchen Schritten zunichte gemacht.